STADTHAGEN (pp). "In Stadthagen bin ich, jedenfalls gefühlt, zuhause", leitete Dagmar Nick, die 90-jährige Lyrikerin und Grande Dame der deutschen Nachkriegsliteratur, ihre Lesung im bis in die letzte Ecke besetzten Erdgeschoss der Stadtbücherei ein. Auf Einladung des Fördervereins Synagoge Stadthagen las Nick aus ihrer Saga über den jüdischen Zweig ihrer Familie und bot dabei einen fesselnden Blick zurück auf vier Jahrhunderte wechselvoller Geschichte ihrer Vorfahren, die als sefardische Juden aus Spanien flohen und mit Schutzbriefen der liberalen Schaumburger Grafen in Stadthagen zunächst Asyl und später eine neue Heimat fanden.
Einen Schwerpunkt legte Dagmar Nick bei ihrer Lesung auf den Stadthäger Rabbiner Joseph Samson, der 1704 von einem Vorfahren Nicks, dem Hof- und Kammeragenten (Bankier) sowie engen Beraters Herzog Ernst-Augusts von Hannover, Leffmann Behrens, zu einem einzigartigen Religionsdisput an den Hannoveraner Hof gebeten wurde. Samson, der sich später Joseph Stadthagen nannte, war Schaumburg-Lippischer Landesrabbiner und damals eine sehr bekannte jüdische Autorität."Diese Lesung soll auch an ein vergessenes Kapitel unserer Regional- und Lokalgeschichte erinnern. "Wir wollen das jüdische Leben erforschen. Nur so können wir den kulturellen Verlust erfassen, der uns durch die Vertreibung der Juden entstanden ist", erläuterte Fördervereinsvorsitzender Andreas Kraus. Begleitet wurde Dagmar Nick von Dietmar Post, der seiner Gitarre einfühlsam die zum Thema passenden Klänge entlockte. Foto: pp