1. Die Unlogik von Aussagen erkennen

    Lateinkurs deckt Manipulationen in Gesprächen auf / Aktuelle Beispiele

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    WUNSTORF (mk). Der bekannte Philosoph und Dialektikspezialist Dr. Daniel-Pascal Zorn war zu Gast im Lateinkurs der Oberstufe von Dr. Thomas Thielen am Hölty-Gymnasium Wunstorf. Dessen Besuch interessierte nicht nur die Kursteilnehmer, sondern auch viele andere Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte und Eltern. Ermöglicht wurde der Besuch dank der Unterstützung durch den Förderverein.

    Im Lateinkurs wird zurzeit Cicero gelesen, und dort bemühen sich Schüler und Lehrer gleichermaßen zu verstehen, wie dieser – als gewiefter Politiker – logische Sprünge und Halbwahrheiten mit bombastischen Sprachbildern zu übertünchen wusste. Dazu gilt es einerseits, die Möglichkeiten des dicken Pinselstrichs in stilistischen Mitteln zu kennen, und andererseits die (Un-)Logik der Aussagen selbst enttarnen zu lernen. Letzteres sollte mit Hilfe von Dr. Zorn nun vertieft werden. Entlang der Grundprinzipien der Dialektik – Gleichheit aller Sprechenden, Fairness, Überprüfbarkeit aller Behauptungen am Wortlaut – erfassten die Schüler nach und nach das Wesen des fairen Gesprächs: Man konzentriere sich nur auf das, was tatsächlich gesagt wurde, und man enthalte sich aller Unterstellungen, die darüber hinausgehen. Dass das sehr schwierig ist, wurde in Aktion schnell klar: Immer wieder kamen versteckte Grundannahmen zum Vorschein, die das Gegenüber im Gespräch "bevormundeten" oder ihm eigene Sichtweisen unterschoben, die dieser gar nicht zum Ausdruck gebracht hatte. Besonders deutlich wurde dies bei einer Analyse des momentanen politischen Sprechens aus dialektischer beziehungsweise aussagenlogischer Sicht: Zum Beispiel lässt sich das Unwort "Lügenpresse" als Selbstwiderspruch entlarven – denn wer aus den Medien von dieser Sicht auf die Medien erfährt, der muss anerkennen, dass die Medien also zwei Sichtweisen präsentieren: einerseits ihre eigene Position und andererseits die Position, dass diese nur erlogen sei. Nach dieser Logik müsste also die ursprüngliche Nachricht und ihre vermeintliche Entlarvung als Lüge beides eine Lüge sein – was aber unmöglich ist. Gleiches gilt für die Aussage: "In Deutschland darf man das ja gerade nicht sagen." Dieses auszusprechen zeigt, dass es doch gesagt werden darf. Aber es ging um mehr als nur um logische Fehler und die Entlarvung von derartiger Manipulation. Dr. Zorn stellte den Schülern jahrhundertealte philosophische Denkprobleme vor und ließ die Schüler diese mit Dialektik auflösen. Die Anwesenden staunten nicht schlecht, wie mächtig sie anhand dieser Denkbewegung wurden, um "klar zu sehen, was wirklich gesagt wurde" und "sich nicht von den eigenen Erwartungen davon, was man hätte hören wollen" blenden zu lassen. Am Ende waren sich alle einig: Denken ist ganz schön anstrengend - macht aber riesigen Spaß und lohnt sich: "Die Welt ist irgendwie bunter jetzt", sagte ein Teilnehmer. Foto: privat

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