Auch Vertreter der evangelischen und katholischen Gemeinden in Bad Nenndorf kamen zu Wort. Pastor Achim Schultz-Waßmuth ging in seiner Ansprache auf die Rolle der Religionen im Dritten Reich ein: "Es waren in hohem Maße auch religiöse Ungleichheitsvorstellungen, die den Weg bereitet haben für die Ermordung von Abermillionen Menschen. Religiöse Ungleichheitsvorstellungen haben den Holocaust mit möglich gemacht.” Es seien nicht nur "irgendwelche bösen Buben mit bösen Ideologien” gewesen, "die Dinge liegen komplizierter; das Herz der Menschen ist komplexer”. Auch in der heutigen Zeit trügen "sich absolut setzende Spielarten von Religion” zu Hass und Terror bei, sagte Schultz-Waßmuth. "Fundamentalismus, ob christlicher, jüdischer, muslimischer oder hinduistischer, ist ein bedeutender Risikofaktor für Frieden und Stabilität in der globalisierten Welt. Und da muss jede Religionsgemeinschaft vor der eigenen Haustür kehren.” Aus all diesen Gründen seien wir es den NS-Opfern schuldig, "dass wir mehr und mehr abstreifen und hinter uns lassen die Ungleichheitsvorstellungen – auch religiöser Art”: "Anders an Gott zu glauben, heißt noch lange nicht, an einen anderen Gott zu glauben.” "Auschwitz ist ein Synonym für sämtliche Verbrechen des Nazi-Regimes”, sagte Günter Fichte von der katholischen Kirchengemeinde. Der Diakon zitierte Papst Johannes Paul II., der Rassismus und Antisemitismus im Jahr 1991 als "eine Sünde gegen Gott und die Menschheit” bezeichnete. Der Holocaust-Gedenktag, so Fichte, schlage eine Brücke von der Vergangenheit in die Gegenwart und Zukunft. "Wir alle haben die Verpflichtung, an dieser Brücke mitzubauen. Sehen wir zu, dass die Pfeiler halten.” Stadt- und Samtgemeinderat Ralph Tegtmeier mahnte an, in Hinblick auf die aktuelle Weltlage "nicht nachzulassen”. Heute habe man die Möglichkeit, Menschen eine neue Perspektive zu geben und einen Neubeginn zu ermöglichen. Der 27. Januar sei kein gewöhnlicher Gedenktag, sondern "muss ein Tag des Nachdenkens sein”. In eine ähnliche Richtung zielten auch die Worte Jürgen Übels. "Es ist notwendig, aus Fehlern und der Geschichte zu lernen”, sagte der Vorsitzende von "Bad Nenndorf ist bunt”. Dazu sei aber ernstgemeinte Ursachenforschung nötig, nicht nur das abhalten einer kleinen Feierstunde. Auch auf aktuelle Entwicklungen ging Übel ein. Der Ton in der Flüchtlingsdebatte zum Beispiel sei "schon länger scharf”, mittlerweile würden sich auch die Handlungen verschärfen – (geplante) Flüchtlingsheime brennen wie kürzlich in Barsinghausen, geflüchtete Menschen werden auf der Straße angegangen. Die Integration von Flüchtlingen sei ein "komplexes Generationenprojekt” und nicht von heute auf morgen zu schaffen, sagte Übel. In diesem Hinblick stelle das Jahr 2016 "uns vor eine große Herausforderung”. Der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus ist in Deutschland seit dem Jahr 1996 ein bundesweiter, gesetzlich verankerter Gedenktag. " Die Erinnerung darf nicht enden; sie muß auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen. Es ist deshalb wichtig, nun eine Form des Erinnerns zu finden, die in die Zukunft wirkt. Sie soll Trauer über Leid und Verlust ausdrücken, dem Gedenken an die Opfer gewidmet sein und jeder Gefahr der Wiederholung entgegenwirken”, erklärte der damalige Bundespräsident Roman Herzog bei der Proklamation dieses Tages. Allein im KZ Auschwitz kamen unter den Nationalsozialisten mehr als eine Million Menschen ums Leben. Foto: tr
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Ungleichheitsdenken überwinden
Bad Nenndorf gedenkt der Opfer des Nazi-Regimes am Jahrestag der Auschwitz-Befreiung
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