BAD NENNDORF/LANDKREIS (jl). "Sterben unsere Schaumburger Dörfer aus?" Auf diese Frage hatte Peter Dehne, Professor an der Hochschule Neubrandenburg in Mecklenburg-Vorpommern, am Donnerstagabend im Haus Kassel eine klare Antwort: Nein! "Aber die Zusammensetzung der Bevölkerung wird sich deutlich ändern", sagte der gebürtige Bad Nenndorfer, der sich seit Jahrzehnten mit der Dorfentwicklung im ländlichen Raum beschäftigt. Vielen seiner rund 80 Zuhörer – immerhin 36 Prozent – nahm er damit die Befürchtung, dass in 30 Jahren Dörfer im hiesigen Landkreis "verschwunden" sein werden. Mit zuvor verteilten Abstimmungspads ließ er das Publikum interaktiv an seinem Vortrag, mit dem die vom Kulturforum initiierte "Impulse"-Reihe startete, teilhaben.
Seit dem Jahre 2005 sinken die Einwohnerzahlen im ländlichen Raum stetig. Obgleich Schaumburg noch vergleichsweise gut dasteht, müssten auch hier alle Regionen laut der Prognosen bis 2035 weitere Bevölkerungsverluste hinnehmen – in Randgegenden wie Wiedensahl, Wölpinghausen und Pollhagen von mehr als 20 Prozent. In Bad Nenndorf mit Nähe und guter Anbindung zur Großstadt, so Dehne, seien die Auswirkungen hingegen spürbar geringer. Die Pflegeschere gehe dennoch auseinander und das zum Teil drastisch. Im Auetal beispielsweise wird der Anteil der über 65-Jährigen in 20 Jahren auf das Doppelte prognostiziert, während der der jüngeren weiter sinkt. Und Ältere ziehe es eher in die Mittel- oder Großstadt, in denen sich die professionelle Versorgung bündele, bemerkte Dehne, der seine Diplomarbeit über die Dorfentwicklung in Antendorf verfasst hat. Gleiches gelte auch für anerkannte Flüchtlinge. Beruf und Familie ließen sich in Städten einfach besser vereinbaren. Für die Tiefe des ländlichen Raums werde es schwer sein, von der Zuwanderung zu profitieren. Ein weiteres Problem ist das extreme Auseinanderentwickeln von Land und Stadt, von Schrumpfen und Wachsen, von Selbstversorgung und Konzentration. Je kleiner und tiefer im ländlichen Raum gelegen, desto existenzieller sei die Bedrohung der Zersiedelung für Dörfer, so Dehne. Potenzial hätten diese als Wohn- und Lebensorte. Denn gearbeitet werde nur noch selten vor Ort. Der Umbau der Daseinsvorsorge werde daher zum Schlüssel für die Entwicklung im ländlichen Raum. Wichtig sei neben der Mobilität zu den Mittelzentren das kommunikative Zusammenspiel von Kommunalpolitik, Wirtschaft und Engagement. Dehne: "Die Dorfatmosphäre macht einen Ort für Jung und Alt lebenswert." Geschafft haben das beispielsweise Schaumburgs Nachbardörfer Flegessen, Hasperde und Klein Süntel. Wie Dehne veranschaulichte, haben sie unter anderem ein Landcafé, einen Dorfladen und sogar eine gemeinwohlorientierte Gesellschaft ins Leben gerufen. Das Ergebnis: ein verstärkter Zuzug von jungen Familien. Eine andere Möglichkeit könnte die strengere Regulierung zur Außenentwicklung sein, um die Dorfzentren zu stärken. Diese dürften Dehne zufolge aber nur fallspezifisch und nicht pauschal gehandhabt werden. Das Schlusswort lieferte Zuhörer und Grünenkreispolitiker Bernd Lescher. Er appellierte insbesondere an die "Babyboomer"-Generation der Fünfziger und Sechziger: "Wir müssen die Bedingungen für junge Familien weiter verbessern, damit der Ort lebt." Der Kreuzrieher Bernhard Loewa ergänzte: "Was andernorts geklappt hat, klappt auch in Nenndorf." Foto: jl