1. "Manches lässt sich nicht mit dem Rotstift regeln"

    Dorferneuerung, Ärztemangel, Schlagerparty: Auetal-Bürgermeister Heinz Kraschewski blickt im Interview auf 2015 zurück

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    Schaumburger Wochenblatt: Herr Kraschewski, das erste volle Kalenderjahr Ihrer Amtszeit geht vorbei. Wie blicken Sie auf diese Zeit zurück? Heinz Kraschewski: Mit den politischen Gremien, der Verwaltung und hoffentlich auch mit den Bürgerinnen und Bürgern habe ich keine Probleme gehabt. Das war sehr konstruktiv. Eine Einschränkung ist die schwierige Haushaltslage vieler Kommunen, wie auch dem Auetal. Aber wir wollen nicht nur jammern: Der Haushalt ist so, wie er ist. Das Auetal ist im Kreisvergleich relativ strukturschwach. Trotzdem haben wir in den letzten Jahren einen ausgeglichenen Haushalt gehabt. Das liegt sehr sparsamen Umgang mit den Mitteln. Für den Zeitraum von 2015 bis 2017 ist eine Schuldenbremse beschlossen worden – wir dürfen nicht mehr Schulden machen, als wir an Krediten tilgen. Nur: Wenn dann am Ende des Geldes noch viele Wünsche da sind, wird es schwierig. Bislang sind Politik und Verwaltung sehr diszipliniert. Aber ob man das diese drei Jahre durchhalten kann, ist die Frage. Manche Sachen lassen sich nicht mit dem Rotstift regeln. Zum Beispiel wenn irgendwas kaputtgeht und erneuert werden muss. Es gibt zwingende Notwendigkeiten, die man mit einer Schuldenbremse nicht behindern darf. Dazu gehört Wirtschaftsförderung, also Gewerbeansiedlung und -erhalt, was die Struktur stärkt. Außerdem der bevorstehende Breitbandausbau. Finanziell sind die Gemeinden gefordert, ihren Beitrag dazu zu leisten. Wenn Bund, Land und Kreis solche Standards flächendeckend einführen und finanziell erheblich unterstützen wollen, können wir nicht sagen, wir haben kein Geld für den Eigenanteil. SW: Was gab es in diesem Jahr aus Ihrer Sicht an positiven, aber auch negativen Ereignissen? Kraschewski: Negativ ist, dass eine Arztpraxis geschlossen hat. Die Ärzteversorgung ist zwar noch üppig, wenn man der Statistik der Kassenärztlichen Vereinigung glaubt. Aber die Statistiker schlagen die Kreise anders als der Senior im Auetal, der auf die Nähe zu seinem Hausarzt angewiesen ist. Wenn man ein Gebiet mit Nähe zu Stadthagen und Obernkirchen betrachtet, dann relativiert sich das mit dem Ärztemangel. Wenn man aber die 6.300 Bürgerinnen und Bürger des Auetals betrachtet, dann haben diese nur noch eine Hausarztpraxis in ihrer Gemeinde. Da müssen sich Menschen zwangsläufig umorientieren, was wiederum mit der Mobilität einhergeht, die möglicherweise individuell gar nicht vorhanden ist: Man ist auf Nachbarn angewiesen, auf öffentlichen Personennahverkehr. SW: Sie sprechen das Thema Hausärztemangel an. Gibt es bezüglich der Nachfolgersuche Neuigkeiten? Kraschewski: Es ist Licht am Ende des Tunnels, wir stehen in Verhandlungen. Ein grundsätzliches Problem ist, dass der jungen Ärztegeneration eine Karriere als Landarzt oft nicht erstrebenswert erscheint. Man muss das Rad aber nicht neu erfinden. Wir haben den möglichen Vorteil, dass wir eine Hausarztpraxis komplett eingerichtet in einem Gemeindegebäude, der Alten Molkerei, vorhalten, wo wir über Mietpreis oder gar vorübergehende Mietfreiheit finanzielle Anreize bieten. Aber wir stehen insoweit im Wettbewerb mit anderen Kommunen, die die gleichen Probleme haben. SW: Was könnte man noch tun, um Ärzte ins Auetal zu lotsen? Kraschewski: Hilfe bei der Wohnraumsuche. Hilfe bei der Jobsuche für den Ehepartner. Kindergarten- und Schulplätze. Das sind Schlagworte, die dabei eine Rolle spielen. Persönliche Kontakte können auch sehr hilfreich sein. SW: Wo könnten weitere Gründe für diesen Ärztenotstand liegen? Kraschewski: Das Angebot in der Ärztelandschaft ist manchmal auch dafür ausschlaggebend, dass man sich dort ansiedelt, wo Fachärzte sind. Bei realistischer Betrachtung werden wir in Rehren kein Fachärztezentrum mit einem breiten Angebot etablieren können. Wir haben einen Gynäkologen, der glücklicherweise in diesem Jahr seine Tochter als Nachfolgerin mit in die Praxis genommen hat. Das ist sehr positiv. SW: Ein weiteres großes Thema war in diesem Jahr das der Dorferneuerung. In der Auestraße in Rehren wird noch gebaut. Wie ist dort der aktuelle Stand? Kraschewski: Die Bereiche Auestraße/Zum Wischfeld sind keine Dorferneuerungsmaßnahme. Es sind Kreisstraßen, sodass wir als Gemeinde nur in Randbereichen wie dem Gehweg finanziell beteiligt sind. Wir sind nicht Auftraggeber, das sind Landkreis und Landesstraßenbaubehörde. Wir können mit dem Ablauf der Maßnahme nicht besonders zufrieden sein, weil es im Sommer losgegangen und das Ende immer noch nicht konkret abzusehen ist. Das ist vor allem für die Anlieger eine besondere Belastung. Ich hoffe, dass es im März, April fertig wird und die Anwohner aufatmen können. Aber selbst mit uns als Auftraggeber gäbe es keine Gewähr dafür, dass es schneller ginge. Einmal pro Woche ist unser Bauamtsleiter dort, da wird vonseiten des Landesstraßenbauamts, des Landkreises und der Gemeinde in der Bauberatung Druck gemacht. Wenn man eine Winterbaustelle hat, kann es aber passieren, dass sie zwei Monate brachliegt und sich die Bauzeit verlängert. Insbesondere wenn das beauftragte Bauunternehmen mit Subunternehmern kooperiert, kann es zu Verzögerungen kommen. Und wenn das Wetter ganz schlecht war, die Aue ist ja auch ziemlich unberechenbar, und sie zu viel Wasser führt, dann kann an den Tagen auch nicht gebaut werden. SW: Der erste Teilabschnitt der Kirchstraße ist derweil fertiggestellt. Kraschewski: Der Kreuzungsbereich Kirchstraße/Ecke Rolfshagener Straße ist komplett hergestellt, damit sind wir sehr zufrieden. Ich glaube, die Bürgerschaft in Rolfshagen ebenso. Allerdings ist das noch nicht das Ende. Es ist geplant, die Kirchstraße bis zum oberen Kreuzungsbereich weiter auszubauen. Wobei da das Problem mit dem schadhaften Regenwasserkanal besteht. Wenn man jetzt den Oberbau herstellen würde, ohne den Kanal in Angriff zu nehmen, würde jeder Fachmann auf die Gefahr verweisen, dass man einige Jahre später bei der endgültig erforderlichen Erneuerung des Kanals die Straße wieder komplett aufreißen müsste. SW: Zu etwas Positiverem: Die Schlagerparty in Rolfshagen war ein

    Der Personennahverkehr ist hier aber sehr marginal. Es gibt Schulbusverkehr, der fällt in Ferienzeiten aber weg und ist in dem Sinne auch nicht "öffentlich". Daran schließt sich aber ein positiver Aspekt an: Nach zähen Verhandlungen wird zum 4. Januar ein Anrufauto als Ergänzung zum ÖPNV eingeführt, in Kooperation mit einem Taxiunternehmen, das durch Landkreis und Gemeinde subventioniert wird. Unsere hiesige Allgemeinmedizinerin ist bereit, mit der neuen Ärztin oder dem neuen Arzt zu kooperieren. Aber wer zum Beispiel lange Zeit in einer Klinik gearbeitet hat, für den ist es eine Umstellung: Hier wird er sofort zum Chef und muss sich selbst und seine Praxis organisieren. Lange Rede, kurzer Sinn: Im nächsten Jahr hoffen wir, dass diese Praxis besetzt, wiederbelebt und damit das ärztliche Angebot verdoppelt wird. Ich habe mit einem Arzt in Kontakt gestanden, der letztlich sagte, er habe Angebote, die ihm besser gefallen, weil er zum Beispiel mit einer Herzklinik zusammenarbeiten kann. Er kommt in ein bestehendes Netzwerk hinein. Andererseits kann man hier auch sagen: Das Klinikum in Vehlen ensteht, da gibt es sicher Entwicklungspotenzial. Man kann auch nicht sagen, dass es an den Verdienstmöglichkeiten liegt. Allgemeinmediziner mit einer Hausarztpraxis müssen auch im Auetal nicht am Hungertuch nagen. Vielfache Anfragen von Auetalerinnen und Auetalern beweisen, dass ein auskömmlicher Patientenstamm quasi schon wartet. Es gibt verschiedene Optionen, wie vorgegangen werden könnte. Entweder man lässt den Straßenverlauf, wie er derzeit ist, und wartet darauf, dass man gefordert wird, weil der Kanal absolut reparaturbedürftig wird. Oder man macht die große Lösung mit Straßenverlauf und oberem Kreuzungsbereich, die im Rahmen der Dorferneuerung noch förderfähig ist. Diese Möglichkeiten werden im Rahmen der Haushaltsplanberatungen 2016 diskutiert – immer unter dem Blickwinkel, was wir uns leisten können.

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