LANDKREIS (bb). Die Aufnahme von Flüchtlingen war ein ganz prägendes Thema, als Landrat Jörg Farr zum Jahreswechsel die wichtigen Entwicklungen im Landkreis Schaumburg in 2015 zusammenfasste und einen Ausblick auf die kommenden Monate gab. Dank des außergewöhnlichen Einsatzes einer Vielzahl von Schaumburger Bürgern sei die sehr fordernde Aufgabe bisher erfolgreich bewältigt worden, betonte Farr. Ebenso seien jedoch eine Reihe bedeutsamer Projekte auf weiteren Feldern angeschoben und vorangetrieben worden, vom Bau des Gesamtklinikums bis zur erneuten Anerkennung Schaumburgs als Region des EU-Förderprogramms "Leader".
Flüchtlings-Aufnahme: Trotz teils sehr geringer Vorbereitungszeit sei es im Landkreis gelungen, rund 2500 Menschen auf Flucht vor Krieg und Gewalt ein Dach über dem Kopf zu geben, sie zu verpflegen und medizinisch zu versorgen, hielt Jörg Farr fest. Die ankommenden Männer, Frauen und Kinder, immerhin 41 Prozent der zugewiesenen Flüchtlinge sind minderjährig, seien dabei mit großer Anteilnahme von den Schaumburgern aufgenommen worden. Wichtig zur Bewältigung der Herausforderung sei das Konzept der dezentralen Unterbringung. Sie begünstige die rasche Integration. Große Bedeutung komme auch der Sozialarbeit zu, die von der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Abstimmung mit dem Landkreis ausgeführt wird. Als Ansprechpartner sowohl für die Flüchtlinge als auch für die Nachbarn würden die Sozialarbeiter wertvolle Dienste leisten. Hinzu komme die "außerordentliche Hilfsbereitschaft" zahlreicher Bürger. Nicht nur die Ehrenamtlichen in den Hilfsorganisationen wie DRK, THW, AWO und Feuerwehr hätten sich in höchstem Maße für die ankommenden Menschen engagiert. Auch viele Freiwillige von außerhalb dieser Organisationen hätten großen Einsatz gezeigt. "Ich möchte all diesen Ehrenamtlichen sowie den hauptamtlichen Mitarbeitern bei Landkreis, Städten und Gemeinden für ihr Engagement danken", betonte Farr. Der Flüchtlingszustrom werde auch im kommenden Jahr große Herausforderungen stellen. Neben der Unterbringung und Versorgung würden nun weitergehende Aufgaben in den Fokus rücken, die anzugehen seien, um die Menschen aus den unterschiedlichen Herkunftsländern in Schaumburg zu integrieren. Das Erlernen der deutschen Sprache, Bildung und Ausbildung sowie der Einstieg in den Beruf seien hierzu entscheidende Grundlagen. Sprachlernklassen seien in fast allen Schulen des Landkreises eingerichtet oder in Vorbereitung. Gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit, dem Jobcenter, der IHK und der Kreishandwerkerschaft würden Kompetenzen festgestellt und Qualifikationsbedarf ermittelt, um die Erwachsenen an den Arbeitsmarkt heranzuführen. Weitere Maßnahmen seien nötig. Sicherlich gebe es Grenzen der Belastbarkeit, deshalb sei es wichtig, auf nationaler und internationaler Ebene zu Lösungen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise zu kommen, hielt Farr fest. Er sei froh, dass der Landkreis weiterhin von einer sehr großen Welle der Hilfsbereitschaft bewegt werde. Infrastruktur: Jörg Farr erinnerte daran, dass der Bau des neuen Gesamtklinikums gut voranschreitet. Zum Jahreswechsel 2016/2017 werde das Krankenhaus-Team im Klinikum in Vehlen die Versorgung der Patienten starten. Die Zusammenführung kleinerer Häuser zu einem größeren Klinikum mit spezialisierten Fachabteilungen sei ein Schritt mit Modellfunktion für viele weitere Regionen in Niedersachsen. Das Landes-Sozialministerium führe vielerorts Strukturgespräche, um vergleichbare Projekte einzuleiten. Für die Menschen in Schaumburg erhöhe sich die Qualität der medizinischen Versorgung vor Ort, gleichzeitig werde der Landkreis finanziell entlastet. Wie zukunftsweisend der Aufbau des Gesamtklinikums sei, zeige nicht zuletzt, dass es in den vergangenen eineinhalb Jahren gelungen sei, sechs neue Chefärzte und weitere hochqualifizierte Mediziner zu gewinnen. Und dies in einer Zeit, in der es denkbar schwierig geworden sei, medizinisches Personal für die Arbeit in ländlichen Regionen zu finden. Unbegründet sei eine bei manchem Bürger offenbar aufgekommene Sorge um das Rettungswesen im Landkreis. Die sechs bestehenden Rettungswachen würden in ihren Standorten erhalten bleiben, mehrere würden ausgebaut sowie technisch und personell noch besser ausgestattet. Wie bisher führe das herbeigeeilte Rettungsteam die lebenshaltenden Maßnahmen am Unfallort aus, um den Patienten anschließend im stabilisierten Zustand in die Klinik zu fahren. Für jeden vorbeirollenden Autofahrer sichtbar seien derzeit die Riesenschritte, mit denen die Arbeiten zum Ausbau des ersten Abschnittes der B-65 vorangehen würden. Mit dieser Maßnahme werde die Leistungsfähigkeit einer wichtigen Hauptverkehrsachse im Landkreis erhöht, ebenso die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer. Nicht um flüssiges Fahren auf der Straße, sondern um zügigen Datenaustausch geht es bei einem anderen Infrastrukturprojekt, in das sich der Landkreis eingeschaltet hat. Ziel sei der flächendeckende Breitbandausbau mit Übertragungsgeschwindigkeiten von bis zu 50 Mbit pro Sekunde für alle Orte Schaumburgs, wie Farr erklärte. Dazu werde ein Kooperationsmodell mit Telekommunikations-Unternehmen entwickelt, um die noch unterversorgten Gebiete in naher Zukunft in das leistungsfähige Internet einzubinden. Wichtige Vorarbeiten seien geleistet, nun müssen jedoch noch Förderanträge bei Bund und Land eingereicht werden. Ein großer Erfolg sei es auch, dass der gesamte Landkreis erneut als Leader-Region anerkannt worden sei. So könnten die Städte und Dörfer im Landkreis in den folgenden Jahren von einer Gesamtförderung von rund 3,4 Millionen Euro profitieren und damit weitere Entwicklungs-Impulse setzen. Die Ausweitung des GVH-Tarifs sei angestoßen, der komplexe Abstimmungsprozess könne von Landkreis-Seite derzeit jedoch nicht beschleunigt werden, denn die weitere Arbeit liege bei der Region und den Verkehrsunternehmen. "Manchmal ärgere ich mich auch darüber, dass so etwas heute so lange dauert", so Farr. Der Landkreis habe alle Beschlüsse gefasst und die benötigten Gelder bereitgestellt. Solide Wirtschaftsentwicklung: Viele heimische Unternehmen würden sich dank hoher Innovationskraft erfolgreich entwickeln. Folge sei ein robuster Arbeitsmarkt. Der seit langem zu beobachtende Trend einer sinkenden Arbeitslosigkeit setze sich fort. Die Arbeitslosenquote sei in Schaumburg gegenüber dem Vorjahr von 6,7 Prozent auf nun 6,2 Prozent gesunken. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse habe seit 2009 um rund 5500 zugelegt und nun wieder die Linie von 42 000 überschritten. Ausdauernd habe der Landkreis die heimischen Betriebe in den vergangenen Jahren mit einer aktiven Wirtschaftsförderung unterstützt. Diese Beharrlichkeit zahle sich langfristig aus, der Kurs werde weiter fortgesetzt. Farr zeigte sich optimistisch für die weitere Entwicklung. Die Aussichten auf weitere Betriebs-Ansiedlungen und den Ausbau von Standorten seien durchaus günstig.Foto: bb