RINTELN (ste). Der IST-Zustand bei der medizinischen Versorgung der Menschen in der Weserstadt ist gut; doch in Rinteln weiß man auch: "Das wird sich in den nächsten fünf
Jahren ändern, wenn relativ viele Mediziner in Ruhestand gehen", so Bürgermeister Thomas Priemer in einer Einladung zum Dialog mit Ärzten der Stadt. Denn laut Kassenärztlicher Vereinigung Niedersachsen (KVN) liegt das Durchschnittsalter der Hausärzte bei 55 Jahren und das der Fachärzte und Psychotherapeuten bei 53 Jahren. "Die Suche nach einem Nachfolger oder Nachfolgerin wird im ländlichen Raum immer schwieriger. Die Arbeit in den Einzelpraxen, mit vielen älteren Patienten und unflexiblen Arbeitszeiten, ist für junge Mediziner unattraktiv. Darum wählen sie nicht die Stadt Rinteln als Arbeitsort aus. Das machen die Praxisschließungen in Steinbergen, Krankenhagen und zuletzt in Engern deutlich", heißt es dazu aus der Stadtverwaltung, die mobil machen möchte gegen den Ärzteschwund und deshalb zum Dialog zu Möglichkeiten zur Sicherung der medizinischen Versorgung geladen hatte. 16 Mediziner folgten dieser Einladung, denn auch im Kreise der Ärzte ist eine Praxisübernahme durch einen Nachfolger eine Wunschvorstellung. Gemeinsam mit Priemer führten die Demografiebeauftragte Linda Mundhenke und Vertreter der KVN durch den Nachmittag. Die Statistik spricht eine eindeutige Sprache und fordert zum Gegensteuern auf: Von den 18 praktizierenden Hausärzten in Rinteln, zu denen noch 28 Fachärzte und Psychotherapeuten kommen, sind nur fünf Prozent unter 55 Jahren alt. Die meisten, nämlich 67 Prozent, sind zwischen 55 und 60 Jahren, gut 28 Prozent der Mediziner sind sogar über 60 Jahre alt. Anders sieht das bei den Fachärzten aus, bei denen sich die Altersverteilung quasi drittelt in unter 55, bis 60 und über 60. Aus den Zahlen ergibt sich ein konkretes Problem. Kommt nicht genügend Nachwuchs, werden in den nächsten fünf Jahren mehr Ärzte in den Ruhestand gehen als neue Medizinier kommen. Das liegt unter anderem auch daran, dass viele Medizinstudenten nach dem Studium nicht in die Patientenversorgung wechseln, wie es noch Anfang der 80er Jahre war, sondern sich für einen Beruf in der Wirtschaft entscheiden. Die Zauberformel heißt "work-life-balance". So steht bei Vielen nicht der Verdienst an erster Stelle, sondern Lebensqualität und Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Ein hohes Risiko in ärztlichen Einzelpraxen, hohe Investitionskosten in Apparate und Personal sowie häufig lange und unflexible Arbeitszeiten sind Hemmschuhe für Neu-Ärzte auf dem Land. In Steinbergen, Krankenhagen und Engern gab es bereits diese Probleme mit der Praxisnachfolge. Und das wird vor allem für ältere Menschen vermehrt zum Problem, wenn sie nicht mehr so mobil sind wie früher. Das widerum führt auch für die verbleibenden Ärzte zu einer höheren Belastung durch vermehrte Hausbesuche. Ein Ziel des Dialogs zwischen der Stadt und den Ärzten war es daher auch, Rinteln wieder als attraktiven Arbeitsplatz für junge Ärzte auszuweisen. Ideen dazu gibt es. Fahrdienste für Patienten und die sogenannte "VERAH", eine speziell geschulte Versorgungsassistentin für Hausarztpraxen, die Patientenbesuche mit Routinearbeiten erledigen könnte. Weitere Impulse für junge Ärzte könnte Rinteln auch mit mehrwöchigen Praktika in bestehenden Praxen bieten. Rinteln, so Bürgermeister Thomas Priemer, hat sich auf den Weg gemacht, einer drohenden Unterversorgung an Ärzten zu begegnen. Ein Weg, der allerdings noch weit und steinig ist.