LANDKREIS/LAUENAU (jl). Mit einem "großen Maß an Offenheit" gehe Deutschland mit den zahlreich ankommenden Menschen um. Für Karsten Becker Zeit, Danke zu sagen und zu informieren. "Was da ehren- und hauptamtlich geleistet wird, ist herausragend. Das kann man nicht mal eben vom Sofa aus machen", sagte der hiesige SPD-Landtagsabgeordnete im Bürgerhaus Lauenau. Eingeladen hatte er seinen Landtagskollegen und den Fachreferenten Christos Pantazis, der über die aktuelle Flüchtlingssituation in Niedersachsen informierte.
Der Sprecher für Migration und Teilhabe der SPD-Landtagsfraktion, der selbst ausländische Wurzeln hat, nannte zwei "Flaschenhälse" des Systems, die derzeit erweitert würden. Zum einen die Erstaufnahmeeinrichtungen, deren Kapazität Niedersachsen bereits von vier auf aktuell bis zu acht Standorte und von 1700 auf 40 000 Plätze hochgefahren habe. Zum anderen ein geordnetes und beschleunigten Verfahren zur Registrierung der Flüchtlinge, das dem Berg unbearbeiteter Asylanträge entgegenwirken soll. Aktuell stapelten sich diese in letzter Instanz beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Heute Einreisende können laut Pantazis erst in einem Jahr überhaupt einen Antrag stellen. Die gesetzliche Beschleunigung trägt dazu bei, dass Personen ohne Bleibeperspektive das Land wieder schnell verlassen. Gleichsam bedeutet es aber auch, dass Asylberechtigte unmittelbar in der Lebenswelt der Bürger landen, um sich integrieren zu können, auch auf dem Arbeitsmarkt. Allein in 2016 werde Niedersachsen rund 1,3 Milliarden Euro aufwenden, um diese Herausforderungen zu meistern, sagte der 40-Jährige aus Braunschweig. Darüber hinaus ergreift der Bund Maßnahmen zur finanziellen Entlastung der Länder und Kommunen. Pantazis machte deutlich, dass er in der bundespolitischen Strategie Stringenz vermisse. "Lange Zeit wurden wir vom Bund alleine gelassen und Sie, in den Kommunen, sind die Gekniffenen." Dass Terroristen mit dem Flüchtlingsstrom ins Land gelangen, wonach ein Zuhörer fragte, hielten Becker und Pantazis für unwahrscheinlich ("Ausschließen kann das niemand"). Das subjektive Sicherheitsempfinden sei etwa durch gezielt gestreute Gerüchte massiv eingebrochen, faktisch seien aber die Delikte durch die Flüchtlingswelle nicht angestiegen – im Gegensatz zur Kriminalität gegenüber Flüchtlingen. Die anwesende Awo-Chefin Heidemarie Hanauske rief dazu auf, mit Begegnung Verständnis für einander zu schaffen und Vorurteile zu nehmen. Gleichwohl appellierte sie wie die Referenten, die Sorgen der Bürger nicht zu bagatellisieren, sondern transparent anzusprechen. Transparenz, das ist etwas, das Pastor Dieter Meimbresse noch vermisst: Seit vier Wochen, so klagte er, sei es nicht möglich einen unbegleiteten 16-jährigen Syrer in einer Familie in Lauenau unterzubringen und die Zuständigen seien nicht zu erreichen. Becker räumte ein, dass dies weder die Integration noch die Motivation fördere. Der Schaumburger SPD-Vorsitzende versprach sich darum zu bemühen. Schließlich war man sich einig, dass Integration(spolitik) in erster Linie durch Teilhabe erfolge. Pantazis: "Wir sollten Flüchtlinge nicht als Belastung sehen – sie stellen eine Bereicherung dar." Foto: jl