Detmold (tl). Oberirdisch läuft der Schulbetrieb der Freien Waldorfschule Lippe-Detmold im heutigen Zeitalter von "Industrie 4.0" und der Vision von "intelligenten "Fabriken". Unterirdisch wiederum legt die Biedermeier-Epoche Zeugnis ab von den industriellen Gegebenheiten im 19. Jahrhundert. In den 1830er Jahren wurden die Kelleranlagen der Falkenkrug-Brauerei errichtet, die 1972 ihre Tore schloss. Nach der Stilllegung zog schließlich der Schulbetrieb in das Fabrikschloss an der Blomberger Straße ein. Den Umbau von Detmolds größter Brauerei zur Bildungsstätte begleitete Wolfgang Linnemann aus Horn maßgeblich, zunächst als Vorstandsmitglied der Waldorfschule, und anschließend als Hausmeister. Nach 28 Dienstjahren verabschiedet die Waldorfschule nun den 64-Jährigen mit einem ganz besonderen "Geschenk" in den verdienten Ruhestand: Der Hauptzugang zum Eiskeller der ehemaligen Brauerei soll wieder freigelegt werden – ein lang gehegter Wunsch Linnemanns. "Vor vielen Jahren ist der Eiskeller zugemauert und zugeschüttet worden", berichtet Petra Schröder-Kaiser. Als Architektin und beratende Ingenieurin hatte sie die Baumaßnahmen der Waldorfschule begleitet. Nunmehr gibt sie Führungen durch den Eiskeller, unter anderem am Tag des Offenen Denkmals. Denkwürdig sind freilich auch die Ausmaße des Kellergewölbes. Schröder-Kaiser: "Der größte Keller misst 40 mal acht Meter und ist fünf Meter hoch. Das musste so groß sein, damit die mit Eis beladenen Ochsenwagen ungehindert einfahren konnten. Das Natureis brauchte man schließlich zum Kühlen des gelagerten Bieres." So belehrte ein Kalenderspruch von damals Brauer und Mälzer gleichermaßen: "Mit Eis stopfe den Keller voll, wenn das Bier gelingen soll!" Selbst in den Sommermonaten blieb die Kellertemperatur unter neun Grad. Bei Führungen im Gewölbe empfiehlt Schröder-Kaiser deshalb wetterfeste Kleidung und vor allem gutes Schuhwerk. Die Treppenstufen hinunter ins Gemäuer sind relativ klein und ein wenig abgenutzt. Feuchtigkeit sammelt sich in kleinen Pfützen auf dem Kellerboden. "Und genau dieser Eiskeller wurde im Zweiten Weltkrieg als Luftschutzbunker bei Fliegeralarm genutzt", weiß Linnemann zu berichten. Sein Nachfolger als Hausmeister, Thomas Wendler, hatte vor Monaten einmal versucht, oberirdisch die Lage des Haupteinganges zum Eiskeller grob mit dem Kompass zu ermitteln. Dabei entstand die Idee, zur punktgenauen Vermessung Profis einzusetzen. René Helms und Meik Krösche, beide Auszubildende zum Vermessungstechniker, haben inzwischen mit modernstem Gerät und unter Anleitung von Ausbilder Heinz Kruse vom lippischen Katasteramt die Koordinaten bestimmt. Es kann also losgehen mit der Freilegung des Einganges. Schüler, Eltern, Lehrer wollen den Aushub in Eigenregie stemmen. Und eins ist klar: Wolfgang Linnemann wird mit von der Partie sein! – Ruhestand hin oder her.
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Die Vermessung des Eiskellers
Bauprojekt an der Waldorfschule Detmold
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