Richtig politisch wurde es schließlich mit der Abtrittsrede des zu diesem Zeitpunkt noch amtierenden Kohlkönigs Burk-hard Balz. Seine Amtszeit sei durch verschiedene Themen geprägt gewesen. Zum Beispiel Griechenland: "Letztes Jahr wollte Finanzminister Varoufakis 560 Milliarden Euro von uns haben – Tantieme für die jahrhundertelange Nutzung des Satzes des Pythagoras, führte er an. Was für ein Irrsinn! Der Grieche kostet schon jetzt jeden von uns in Niedersachsen umgerechnet 72 Ouzoplatten, die man bezahlt, aber nicht kriegt. Zum Glück trinken wir heute Abend Bier und Grüne”, sagte der Europaabgeordnete augenzwinkernd. Beim Thema Volkswagen bekamen die Amerikaner ihr Fett weg: "Unser schöner Volkswagen ist laut den Amis ein Abgasmonster und wird verteufelt. Ich würde die Amis gerne einladen, unseren leckeren Grünkohl zu essen. Da würden sie sehen, was hier für Abgase produziert werden! Da müssten die eigentlich mal herkommen und hier im Raum einige Abgasprüfungen machen.” Mit Blick auf den kulinarischen Mittelpunkt des Abends, den Grünkohl, deutete Balz verschiedene Wirtschafts- und Herrschaftsformen um. "Der Grünkohlkapitalismus: Sie besitzen zwei Felder Kohl, verkaufen das eine an einen chinesischen Investor und kaufen vom Erlös eine Erntemaschine. Sie entlassen alle Erntehelfer und mit der Maschine steigt die Produktivität. Sie werden reich. Sie treffen Uli Hoeneß am Bankschalter in der Schweiz. Der Finanzminister von Nordrhein-Westfalen kauft eine Steuer-CD. Sie kommen ins Gefängnis und essen Erbsensuppe statt Grünkohl.” Erbsensuppe statt Grünkohl: Auf selbiges laufe es im Grünkohlkommunismus ebenso wie mit dem Anbau von "Öko-Green-Kohl” hinaus. Als Europaabgeordneter dürfe er aber auch den "Grünkohlbürokratismus” nicht vergessen, sagte Balz und stellte eine berechtigte Frage: "Sie besitzen zwei Felder Kohl. Die Regierung nimmt ihnen beide Felder weg, erntet das eine, walzt das andere Feld platt, bezahlt ihnen eine Entschädigung für das Feld und schmeißt den Kohl des anderen Feldes weg. Und man fragt sich: Wieso muss dafür eigentlich keiner im Gefängnis Erbsensuppe essen?” Er selbst halte sich darum lieber an den "Grünkohl à la Ludwig Erhard”. "Sie können Ihr Gemüse mit der Hand pflücken oder mit der Maschine. Kein Staat redet Ihnen rein, denn der Staat steht oberhalb des Grünkohlmarktes über den Interessen der einzelnen Bauern. Gegenwärtig ist er noch zu häufig auf dem Feld mit dabei, schreibt den Bauern vor, wie häufig sie gießen müssen, wie sie zu ernten haben, gängeln sie mit der Frage, ob der Holzgriff des Erntemessers auch den Standards des Tariftreue- und Vergabegesetzes entspricht und spioniert donnerstags, ob tatsächlich nur Grünkohl – ohne Pinkel – verzehrt wird”, führte Balz aus. "Ich vertraue dem Kohl, denn er weiß noch am besten, in welche Richtung er wachsen will. Und ich vertraue dem Bauern, der ebenfalls am besten weiß, was der Kohl zum Wachsen braucht und wann er geerntet werden muss.” Jörg Böversen nahm sich in seiner Festrede stattdessen die nicht ganz so frommen Schaffer zur Brust. Eigentlich müsse er ja eine Adventspredigt halten, sagte der Pastor aus der St.-Martini-Kirche, "verdient hättet ihr es.” Im vergangenen Jahr sei Balz der einzige gewesen, den er im Adventsgottesdienst am nächsten Morgen bewusst wahrgenommen hatte. Der König als echtes Vorbild also. Letztlich beließ Böversen es aber dabei, einen Passus aus einer historischen Ratsanweisung zu zitieren: Wer nicht regelmäßig die Kirche besuche, sei durch eine angemessene Geld- oder Gefängnisstrafe maßzuregeln. Erkenntnis: "Gut, dass wir im 21. Jahrhundert leben.” Die Schaffer bezog Böversen in seine Rede mit ein. "Warum seid ihr hier?”, fragte er ins Publikum. "Saufen!”, tönte eine irregeleitete Seele. Nein, es gehe um die Tradition, die Liebe zur Stadt, führte der Pastor ihn und die anderen auf den rechten Pfad. Diese Liebe stellte er mit einer "Hommage an meine Stadt” sogleich auf die Probe: Anhand von bekannten Gedichten, Liedtexten, Versen und Aussagen sollten die Schaffer besondere Orte Stadthagens erkennen – den alten Marktplatz, den Schloss-park, das Ratsgymnasium, das Schloss ("Ich will Romeo und Julia dort als Open-Air-Veranstaltung haben!”) und natürlich die Martini-Kirche. Eine Neuerung gab es bei der Traditionsveranstaltung in diesem Jahr übrigens: Nachdem Günter Deseniß mit seinen Deistertaler Musikanten über 40 Jahre beim Stadthäger Schaffermahl auf der Bühne stand, waren es nun die Schaumburger Musikanten unter der Leitung von Ralf Jordan. Mit traditionellen Volksliedern und schwungvollen Interpretationen aktueller Stücke hielten sie die Stimmung im Ratskeller-Saal hoch. Foto: tr
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Erbsensuppe anstatt grünem Kohl
Schaffermahl: Burkhard Balz mag "Grünkohl à la Ludwig Erhard” / Jörg Böversen stellt Schaffer auf die Probe
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