1. 300 Jahre Dornröschenschlaf waren genug

    Engelb ert Kaempfers Werk soll digitalisiert den Erhalt der Liemer Orgel sichern

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    Lemgo-Lieme (nr). Purer Zufall in Kombination mit einem großen Stück Arbeit waren es, die einen wichtigen Teil Lemgoer Geschichte wiederbelebt haben. Ein fast 1.000 Seiten starkes Buch, in dem Engelbert Kaempfer all das verewigt hat, was ihm auf seinen langjährigen Reisen beschäftigt hat, ist von Karl-Rochus Kintscher digitalisiert worden. Jetzt gibt es wieder die Möglichkeit, die über 100 Abbildungen von Kupfer- und Holzstichen, nach 300 Jahren wieder in den Händen zu halten. Die Digitalisierung soll gleichzeitig einen gemeinnützigen Zweck erfüllen. Der Erwerb der "Amoenitates Exoticae" ist an eine Spende für die Kirchorgel der evangelisch-reformierten Kirchengemeinde Lieme gebunden. Wäre Karl-Rochus Kintscher nicht vor vielen Jahren beruflich im Iran, genauer gesagt in Teheran, zu Gast gewesen und hätte das historische Persepolis besucht und fotografiert, vielleicht würden die "Amoenitates Exoticae" von Engelbert Kaempfer immer noch sanft unter Glas vor sich hinschlummern. Der Zufall wollte es, dass Karl-Rochus Kintscher als Hobby-Historiker 2009 eine Ausstellung im Hexenbürgermeisterhaus ansah, die sowohl die "Amoenitates", wie auch viele, verschiedene Stiche und Bilder Engelbert Kaempfers aus seinen Reisen zeigte. "Das war, als würde ich wieder auf die Bilder schauen, die ich Jahre zuvor aus der Hüfte heraus gemacht hatte", so Karl-Rochus Kintscher. "Es waren exakt die gleichen Motive und das war für mich so unglaublich faszinierend." Engelbert Kaempfer war nicht nur bekannter Japanforscher, sondern auch Weltreisender, wie Pastor Fred Niemeyer es ausdrückte. "Und hat vor über 300 Jahren bereits den Horizont geöffnet und den Menschen hier neue Kulturen zugänglich gemacht", erklärte er. "In dieser Tradition stehen wir jetzt wieder, zumal unsere Kirchengemeinde eines der 200 Exemplare der "Amoenitates" besitzt." Da lag es nah, dass Karl-Rochus Kintscher das 300 Jahre alte Werk digitalisieren und somit für die Nachwelt aufzeichnen konnte. Er tat dies in akribischer Feinarbeit, um das Original nicht zu beschädigen. Dazu zählte das mühsame Abfotografieren jeder einzelnen der 1.000 Seiten und die digitale Aufbereitung dieser Fotos für eine neue Ausgabe. Da sich 2016 drei ganz verschiedene Gegebenheiten jähren, die alle im Zusammenhang mit Engelbert Kaempfer stehen, lag es nahe, dem Projekt einen besonderen Rahmen zu geben. Vor 980 Jahren wurde der Steinhof in Lieme (Kaempfers späterer Wohnsitz) erstmals erwähnt, Engelbert Kaempfer starb vor 300 Jahren und die evangelisch-reformierte Kirchengemeinde Lieme kann auf 290 Jahre Eigenständigkeit zurückblicken (wofür sich Kaempfer 1698 bereits eingesetzt hatte). Um das Buch geschichtlich zu ergänzen und somit abzurunden, schrieb Karl-Rochus Kintscher eben über diese drei wichtigen Themen einen Text, der ganz im Sinne des Weltreisenden Kaempfers, in acht weitere Sprachen (Japanisch, Ukrainisch, Georgisch, Niederländisch, Englisch, Französisch, Portugiesisch, Heidenoldendorfer Platt) übersetzt, im Anhang zu lesen ist. "Das ist Geschichte zum Anfassen", erzählte Paula Magno de Carvalho, die die Seiten gemeinsam mit ihrer Mutter Francilia ins Portugiesische übersetzt hat. "Wir leben seit 40 Jahren in Lieme und waren sehr überrascht, dass sich das alles gleich nebenan abgespielt hat." Auch für die anderen muttersprachlichen Übersetzer war das Thema so interessant, dass sie sich ohne Zögern anboten, den Anhang vom Deutschen in ihre Muttersprache zu übersetzen. Ganz einfach war es aber auch für sie nicht. "Fachwerkhaus, Kupferstich oder Musensitz sind nicht mal eben so in eine andere Sprache zu übersetzen", lachte Olia-Slava, die eine ukrainische Übersetzung angefertigt hatte, und Werner Schnüll hatte selbst mit dem Heidenoldendorfer Platt Schwierigkeiten. Einen anderen Ansatz hatte die Brüder Avtandil und Giorgi Salukvadze, die erst seit zwei Jahren in Deutschland leben und ihre Deutschkenntnisse noch erweitern wollen, aber auch sie fanden die geschichtlichen Hintergründe spannend. Bei so viel Einsatz für das alte Dokument, von dem es nur noch 200 Exemplare geben soll, musste ein würdiger Rahmen gefunden werden. "Unsere Orgel muss dringend überholt werden", so Pastor Fred Niemeyer. "Für eine Spende von 100 Euro für die Orgel, erhalten wirklich Interessierte die neue Ausgabe der "Amoenitates Exoticae", von der erst einmal nur 100 Exemplare in den Druck gehen sollen. Das Werk, das, außer dem Anhang, in Latein abgefasst wurde, ist inzwischen zur Hälfte ins Deutsche übersetzt im Internet zu finden. Die "Katze im Sack" muss dabei niemand kaufen. Lemgo Marketing hat ein Exemplar zur Ansicht ausliegen, genauso wie die Kirchengemeinde in Lieme. Informationen zur Spende und dem Buch gibt auch Karl-Rochus Kintscher unter 01520-409 27 65.

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