1. Die fehlende Hälfte des Personals

    Überragende Improvisation zu Cranachs Leben im Kloster Loccum

    Dieser Eintrag wird bereitgestellt durch Schaumburger Wochenblatt | Impressum

    LOCCUM (jan). "Das ist mir ja noch nie passiert, dass ich zur Spielstätte komme und die Hälfte des Personals fehlt!" Genau dieses ist beim Loccumer KlosterKlangFestival geschehen zur Aufführung des Theaterstückes "Die Weggefährten". Und gerade das hat dem Stück einen zusätzlichen Reiz verliehen. Zwei Personen auf der Bühne – so sieht es die Inszenierung des "Theaters im Gewölbe" aus Weimar vor. Lucas Cranach der Ältere, nach dem Exil in Weimar ankommend, ist eine der agierenden Personen, seine Tochter Barbara die Zweite. Ein abendfüllendes Programm, das von zwei Schauspielern allein getragen wird, ist für sich bereits eine große Herausforderung. Rainer Hauer, der den Cranach mimte, stand an jenem Abend allerdings vor einer weitaus größeren Aufgabe: sein Gegenpart Barbara, die Sprechwissenschaftlerin Eva-Maria Ortmann, war erkrankt – und er hatte die Bühne allein zu füllen.

    Die Hälfte des Personals fehlte also – Und Hauer wuchs über sich selbst hinaus. Er spielte seinen Part, erzählte vom Leben des Malers Cranach, der 150 Mal die Maria mit dem Kinde malte beziehungsweise in seiner Werkstatt malen ließ, von den Heiligen und den Nackten, die er als Bilder schuf, von seiner Kunst, seinem Geschäftssinn und nicht zuletzt auch von seiner besonderen Beziehung zur Reformation und demjenigen, der untrennbar damit verbunden ist: Martin Luther. Mit Textbuch in der Hand schaffte er es darüber hinaus, die Rolle der Barbara auszufüllen. Wie sie hereinkommt, wie sie erzählt, wie sie agiert, dem Vater die Stichwörter gibt, anhand derer er sein Leben vor dem Publikum ausbreitet, das ihn als betagten Mann bei seiner Ankunft in Weimar begrüßt, wie sie seine Bilder präsentiert und mit ihm gemeinsam singt und Flöte spielt – all das machte Hauer lebendig, ohne seine "Tochter" auf der Bühne zu haben. Unterstützung holte er sich lediglich von einer jungen Frau, die Cranachs Werke auf Staffeleien stellte und von einer CD, von der die Musik zum Stück eingespielt wurde. Mit Witz und Augenzwinkern, sprachgewandt mit Improvisationen ob der ungewohnten Situation glänzend, wortgewaltig und mit dröhnender Stimme rettete Hauer den Abend, an dem die Hälfte des Personals fehlte. Das soll dem 83-Jährigen erst mal jemand nachmachen. Foto: jan

  2. Kommentare

    Bitte melden Sie sich an