Detmold (ame). Kaum ist der Herbstanfang vorbei, erfreut uns der goldene Oktober - mehr oder weniger ... Ob es uns gefällt oder nicht, die Abende auf der Terrasse weichen dem sehnsuchtsvollen Blick nach der Kuscheldecke und einem Buch. "Cosy" nennt passender Weise Autor Stefan Holtkötter den zweiten Krimi der Serie "Münster Kriminell" aus dem Hause Topp und Möller, der passend zur Jahreszeit tatsächlich wie geschaffen ist, um schedderigen Abenden doch noch Gemütlichkeit abzuluchsen. Mit Holtkötter wissen wir ein wärmendes Feuer zu schätzen, das im Ofen knistert - wenn auch nur mental. Cosy-Krimis, in freier Übersetzung "Kuschelkrimi" – den Ausdruck hat Holtkötter zwar nicht erfunden, aber das Genre bedient er auf jeden Fall. Ein fiktiver Ort im Münsterland, der die verwunschen-verträumte Melancholie Westfalens in der dunklen Jahreszeit spiegelt, ist voller alter Bräuche, die nicht immer sanft auf die Jetztzeit prallen - was oft für skurrile Bilder im Kopf sorgt. Wie Tönne Oldenkott, Bauer im Ruhestand, die junge türkisch-stämmige Polizistin Gül Yilmaz mal eben in Lisbeth umtauft, weil er den Namen einfach schöner findet - das passt zu dem Bier, das selten ohne Korn getrunken wird, zum Kartenspiel in verqualmtem Hinterzimmern einer Wirtschaft die zwar "Zur grünen Linde" heißt, aber "Zur sterbenden Grünpflanze" hätte auch gepasst. Wir kennen diese Landgasthäuser, in denen die Fensterbänke den Hobbygärtner an den Rand einer Depression bringen können. Und schon sind wir mitten drin im Landleben, sehen Kittelschürzen, Wachstuchtischdecken und Maggiflaschen, sehen Gläser die unter "Senfkristall" firmieren und wir können saure Gurken erschnuppern, auch wenn im ganzen Buch nicht ein einziges Mal von diesen Dingen gesprochen wird. Man nennt es wohl atmosphärische Dichte, die Holtkötter aufs Papier zaubert - und schon geht das ganz große Kopfkino los: Kurz vorm Dreikönigstag wird in einer Sturmnacht Alfons Kerkering auf seinem Bauernhof brutal ermordet. Die Polizei vermutet einen Einbrecher als Täter, aber Tönne Oldenkott glaubt nicht an diese Version. Alfons hatte einen Windpark im Dorf verhindert, wodurch eine Menge Leute viel Geld verloren haben. Motive gibt es also genug. Da kommt der Dreikönigstag Tönne wie gerufen. Als Fahrer einer Kinder-Sternsinger-Truppe bietet sich ihm nämlich die ideale Gelegenheit, sich auf den Höfen in der Nachbarschaft umzusehen, ohne Verdacht zu erregen ... Wer nun vermutet, dieser Krimi sei einfach nur "nett", der irrt. Holtkötter zieht immer wieder einmal den Vorhang beiseite und lässt tief in die Seele seiner Protagonisten blicken. Die Lösung meint man bald zu kennen - aber weit gefehlt. Immer wieder befindet man sich, mit oder ohne Trecker, auf dem Holzweg, bis dass die Auflösung uns am Ende kräftig schlucken lässt. Die letzten Worte der letzten Seite kommen dann wieder ganz "Cosy" daher - wir legen das Buch aus der Hand und wundern uns, dass sie uns Gänsehaut verursachen. Aber eigentlich ist es kein Wunder. Die Idylle kann so "schaurig" trügerisch sein ...
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Ein neuer Münsterkrimi "Dreikönigssingen" von Stefan Holtkötter
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