BAD NENNDORF (gk). Schüler der 10. Klasse des Gymnasiums Bad Nenndorf (GBN) haben in einer szenischen Lesung an die Flüchtlingskatastrophe vor der italienischen Insel Lampedusa erinnert. Vor zwei Jahren war dort am 3. Oktober ein Flüchtlingsboot mit 545 Menschen an Bord gesunken. 366 der Flüchtlinge kamen bei der Katastrophe ums Leben.
Auf der Leinwand im Forum des Gymnasiums sind Fotos zu sehen vom blauen Meer, der felsigen Küste und Fischerbooten. Dazu ist das Rauschen des Meeres zu hören, das Rufen der Möwen. Man könnte meinen, dass es bei dieser Lesung um einen schönen Urlaub am Meer geht. Doch dann fangen die Schüler an zu lesen. Sie lesen die Berichte von Augenzeugen und Flüchtlingen aus der Unglücksnacht. Wie das Boot mit den Flüchtlingen auf dem Meer trieb, der Motor war ausgefallen, es gab kein Licht an Bord. Vom Boot aus sahen die Flüchtlinge die Lichter von Fischerbooten in der Nähe, aber keiner sah sie: "Jemand zündete eine Decke an, um auf uns aufmerksam zu machen, eine andere Decke fing Feuer, jemand versuchte das Feuer mit Meerwasser zu löschen, aber es hilft nicht. Wir drängten uns alle auf eine Seite des Bootes, das Boot fing an zu wanken, es kenterte," liest eine der Schülerinnen den Bericht einer Überlebenden der Katastrophe vor. Insgesamt 13 Schüler und 2 Lehrer des GBN sind an dem Projekt beteiligt. Lehrer Torsten Deist hat den Kontakt zum Autor der Lesung hergestellt und die Texte dann mit seinen Schülern eingeübt. Zu rund 70 Prozent besteht die Lesung aus Augenzeugenberichten, 30 Prozent sind Hintergrundinformationen die der Autor Antonio Umberto Riccò hinzugefügt hat. Dazu sind immer wieder Fotos auf der Leinwand zu sehen untermalt von italienischen Musikstücken. Die Schüler haben sich während der Vorbereitung der Lesung intensiv mit der Katastrophe vor Lampedusa beschäftigt – kein leichtes Thema: "Es trifft einen, aber durch das Projekt lernt man auch besser damit umzugehen," erzählte Gian-Luca Ersinger. Er hat sich für das Projekt gemeldet, weil ihn das Thema interessiert hat und er mehr darüber wissen wollte. Vor der Lesung, zu der rund 70 Zuhörer in das Forum im Gymnasium gekommen sind, ist Gian-Luca noch aufgeregt, aber die Aufregung verfliegt schnell: "Man versetzt sich beim Lesen in die Geschichte und dann ist die Aufregung einfach weg," sagte er. Auch die Zuhörer lassen sich sofort von den Berichten und den Fotos in die Geschichte der Tragödie ziehen. Im Saal ist es während der gesamten Lesung still, keiner flüstert, alle hören gebannt zu. Die Berichte erzählen von Menschen, die keine Kraft mehr haben sich über Wasser zu halten und einfach im Meer versinken oder wie ein Geretteter an Bord eines Fischerbootes sitzt und sich aus Angst weiter krampfhaft an der Rettungsleine festhält. Es sind erschütternde Berichte und man erinnert sich sofort an die erschütternden Fernsehbilder, die nach der Katastrophe zu sehen waren. Am Ende der Lesung Applaus für die Schüler und ihre Lehrer, aber es bleibt auch ein bedrückendes Gefühl unter den Zuhörern zurück. Im Anschluss an die Lesung hatten die Besucher Gelegenheit in einer von NDR1 Moderator und ehemaligem Schüler des GBN, Andreas Kuhnt, geführten Gesprächsrunde über die Flüchtlingssituation zu diskutieren. Außerdem erzählte Antonio Umberto Riccò warum er diese Lesung geschrieben hat: "Ich wollte, dass die Tragödie bei den Menschen in Erinnerung bleibt." Das hat er mit der Lesung und seinem Projekt "Unser Herz schlägt auf Lampedusa" geschafft, indem er mit anderen Ehrenamtlichen aus Hannover auf die Flüchtlingssituation aufmerksam macht. Foto: gk