1. Malerei als Weltenerzähler

    Malereien von Daniel Behrendt im Detmolder Schloss

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    Detmold (vfc). "Ich male mein Bild von der Welt"– Daniel Behrendt bannt die urbane Wirklichkeit als Portraits auf die Leinwand. Außenansichten von Fenstern, Fassaden, Gehsteigen, Hauswänden: Ausschnitte aus der modernen Welt, die der einstige Meisterschüler von Karin Kneffel bei Rundgängen durch die Großstadtmetropolen einfängt. Dabei sind seine auf malerisch hohem Niveau dargestellten Ansichten kein Abbild. Keine "laute Malerei", schrill, farbenreich und motivisch vielfältig, wie die urbane Welt selbst. Eine Ruhe wohnt den Bildern inne. Kontemplativ geht Behrendt mit der Weltansicht um und ermöglicht dem Betrachter seiner ausschnitthaften "Architekturportraits", so manche Geschichte hinter der Fassade aufzuspüren. Derzeit sind Behrendts aktuelle Malereien im Detmolder Schloss in der laufenden Ausstellung der Lippischen Gesellschaft für Kunst zu sehen.

    Behrendt bildet Orte ab, die auf den ersten Blick keine Schönheit in sich tragen. Er erhebt das Hässliche zur Kunst und zeigt gerade nicht die vor Ornamenten überbordende Barockfassade oder Architekturmalerei à la Caravaggio mit Stadtansichten von Venedig oder Dresden. Behrendt findet seine Motivik in der Gegenwart moderner Metropolen wie Berlin, London, Paris. Die hochglänzende Postkartenmotivik blendet er aus und wirft vielmehr einen Blick auf die gewöhnliche, unscheinbare Gebrauchsarchitektur. Auf die verlassenen, oft übersehenen Winkel einer Stadt. Eine gewisse Trostlosigkeit haftet den Bildern an: grau, weiß, schwarz – sind die vorherrschenden Farben. Vielleicht fasziniere ihn deshalb die moderne Gebäudesituation, weil er in einem Plattenbau großgeworden sei, erläutert der Künstler. Damals in Stendal, wo er 1980 geboren wurde. Nun lebt und arbeitet er in Bremen, findet seine Inspiration allerdings in allen Großstädten. Er fotografiert zunächst seine Motive, dann werden sie auf Leinwand übertragen. Das künstlerische Resultat ist allerdings keine fotorealistische Malerei. Vielmehr wirkt die Materialität der Malerei als zweite Suggestionsebene. Ein pastoser, dicker Farbauftrag, Risse, gespachtelte Farbwülste lassen die Bildoberfläche zu einem Relief werden. Fast so, als könne man die echte Hausfassade auf der Leinwand ertasten. Die Substanz der Malerei materialisiert die Bildfläche. "Ich sehe nicht das Motiv, sondern die Malerei, die Machart", so Behrendt. Das sieht man seinen Arbeiten an: Behrendt ist Maler, kein Schönheits-Realitätsabbilder. Über die Malstruktur wird die Gegenständlichkeit zur Abstraktion. Hierüber grenzt er sich von der sogenannten "Neuen Leipziger Schule" um Neo Rauch, Hans Aichinger und Kollegen ab. Die derzeit hochpreisig auf dem Kunstmarkt verkauften und durch Ausstellungsevents in der Kunstszene hochgepuschten Malereien sind übervoll mit Motivik. Die Malerei ist auf Hochglanz poliert. "Das Leben an sich interessiert mich. Geschichten erzählen und erkunden, wie Dinge zueinander stehen", weiß der Künstler Behrendt über seine Arbeit zu formulieren. Seine Malereien bieten vielfältige Assoziationsflächen für den Betrachter. Gerade weil sie so wenig zeigen. In der Reduktion des Motivischen liegt das Reizvolle: Weniger lässt hier Raum für mehr Gedankenspiel zu. Jedwede Geschichte kann in Behrendts Bilder hineingelesen werden. Sie zeigen nur das Außen, nie das Innen. Was sich hinter dem Fenster verbirgt, bleibt ungezeigt und ungesehen. Nicht aber ungeahnt. "Ein Teil meiner Kunst ist das Schauen, Ansehen, das Erfassen von Räumlichkeiten", sagt Behrendt. Von Räumlichkeiten, in denen sich Geschichten abspielen. In denen der gemeine Großstadtbewohner Lebensspuren hinterlässt. Ein Bürgersteig, eine Matratze, ein Fenster, eine Fassadenecke – was vermag sich dahinter abspielen, was mag dort passiert sein? Verblüffend korrespondieren die gemalten Szenen auf der Leinwand mit realen Situationen innerhalb des Ausstellungsraumes im Detmolder Schloss. Was ist Malerei, was Realität? An ein Behrendt’sches Fenster-Bild grenzt eine hölzerne Tür und unwillkürlich animiert diese verschlossene Tür in der Schlossküche den Besucher zu Assoziation, zu Spekulation. Was verbirgt sich hinter den für die Außenwelt verschlossenen Türen des Detmolder Schlosses? Geheimnisse, Geschichten ... historische und moderne. Die Ausstellung "Daniel Behrendt. Noon" ist vom 20. September bis 18. Oktober im Ausstellungsraum der Lippischen Gesellschaft für Kunst im Detmolder Schloss zu sehen, täglich außer montags von 10 bis 12 und von 14 bis17 Uhr. Der Eintritt ist frei. Zwei Kataloge über die aktuellen Arbeiten des Künstlers sind vor Ort erhältlich.

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