1. Kurzes Durchatmen nach dem Terror

    Flüchtlinge kommen zur Ruhe – Ehrenamtler leisten großartige Arbeit

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    Lemgo (nr). Was als ungeheurer Kraftakt begonnen hat, läuft inzwischen bereits in ruhigeren Bahnen. 152 Menschen, auf der Suche nach Hilfe und Sicherheit, sind am vergangenen Wochenende in Lemgo eingetroffen. Flüchtlinge. In kürzester Zeit mussten Unterbringung und Versorgung für diese Menschen geschaffen werden. Dank ungeheuer viel ehrenamtlicher Arbeit und Unterstützung von verschiedenen Seiten, kommen diese Menschen jetzt erst einmal zur Ruhe, zumindest für den Moment.

    Die Stimmung in der Anne-Frank-Schule ist ruhig und gelöst. Spielende Kinder, Erwachsene, die mitspielen oder sich unterhalten, Wäsche hängt zum Trocknen über Leinen und immer wieder klingt ein schüchternes "Hallo" und "Guten Tag"über das Schulgelände. Im Gebäude ist das Bild ähnlich. Freundliche Begegnungen, ein Lächeln, da die Essensausgabe, an den Tischen kleine Gruppen von Menschen, die sich leise miteinander unterhalten. Ungewöhnlich ja, aber nicht befremdlich. Anders sieht es in den ehemaligen Klassenräumen aus. Feldbett neben Feldbett. Keine weichen Kissen, keine Flauschbettwäsche – keine Privatsphäre. An der Tafel stehen einzelne deutsche Wörter: "Dankeschön", "Frühstück", "Guten Tag". Dieses Bild wirkt beklemmend. Ein wenig wie ein gezwungenes Zeltlager, aber nicht wie der Beginn eines neuen Lebens. Aber genau das ist es. Die meisten dieser Menschen, die jetzt in Lemgo angekommen sind, sind Kriegsflüchtlinge. Sie kommen aus Afghanistan, Syrien, Somalia oder Pakistan und sie haben Schreckliches erlebt. Jetzt wollen sie erst einmal zur Ruhe kommen, sich in Sicherheit wissen und den Schrecken verdrängen. Die Ungewissheit um die Zukunft, das Heimweh – vor allem nach geliebten Menschen – und das Angewiesensein auf Hilfe ist sicherlich nicht leicht, aber sie lassen es sich nicht anmerken. Außer warten und hoffen, bleibt ihnen zurzeit nicht viel. "Es klingt vielleicht ein wenig seltsam, aber die Arbeit hier macht mir sehr viel Spaß", erzählt Theresa Wilmsmeier vom DRK, die wie viele andere auch, ehrenamtlich jede freie Minute für die Flüchtlinge da ist. "Wir arbeiten in drei Schichten", erklärt sie weiter. "Von 6 bis 14 Uhr, von 14 bis 22 Uhr und dann wieder bis 6 Uhr am nächsten Morgen.""Wir", das sind die Mitarbeiter von DRK, Feuerwehr, Sozialdiensten, Security und Freiwillige. "Ein paar mehr Freiwillige wären nicht schlecht", lacht sie. Inzwischen hat Eben-Ezer die Verpflegung übernommen. Das Essen muss angeliefert werden, da die einstige Schulküche viel zu klein ist. Kein Schweinefleisch, dafür Reis und Nudeln, Gemüse und viel Weißbrot, denn das schwere, deutsche Vollkornbrot kennen diese Menschen nicht. Die Räume der Schule sind zweckmäßig aufgeteilt: Helferbüro, Sanitätsraum, Lager, Kleiderkammer. "Um sicherzustellen, dass gerade die medizinische Hilfe gewährleistet ist, ist in jeder Schicht ein DRK-Mitglied hier vor Ort", erklärt Theresa Wilmsmeier. Bisher ging es zum Glück nur um Abschürfungen und kleine Stürze bei den Kindern. Bei dem Wetter sind eigentlich alle tagsüber draußen. Da passiert schon mal der eine oder andere Sturz." Die Erstversorgung hat auch gut geklappt. Seife, Rasierer, Handtücher, Hygieneartikel, Windeln und Milchpulver – davon ist genug da. Aber es fehlt an anderen Dingen. Kleidung wird beinahe täglich gespendet, aber immer noch mangelt es an Kinder- und Männerbekleidung. "Die Männer hier sind nicht klein, aber von eher schmaler Statur", weiß Theresa Wilmsmeier. "Und die Kinder laufen entweder mit älteren Sandalen oder Winterschuhen herum." Gerade für die Kinder wäre Spielzeug für draußen wichtig: Bobbycars, Lauf- und Fahrräder, Seifenblasen, Bälle, Straßenmalkreide. Kinderwagen oder auch Reisetaschen fehlen genauso. Jede Spende wird mit einem Lächeln quittiert. Von allen. Und die Verständigung klappt ausnehmend gut. "Am Wochenende hatten wir einen ehrenamtlichen Dolmetscher aus Köln, der persisch spricht", fährt Theresa Wilmsmeier fort. "Und viele dieser Menschen sprechen Englisch oder sogar ein paar Brocken Deutsch. Der Rest wird mit Händen und Füßen gemacht. Man findet immer einen Weg." Während in der Anne-Frank-Schule in Lemgo überwiegend Familien untergebracht sind, hat Hörstmar Männer aufgenommen. Auch dort ist die Stimmung entspannt. Sie mussten viel Schlimmes erleben und für sie ist Lemgo nur die Erstaufnahmestelle. Ihr Weg ist noch nicht zu Ende. "Aber es ist schön zu sehen, wie gut das hier alles klappt", freut sich Theresa Wilmsmeier. "Wir sorgen dafür, dass sie Unterstützung bekommen, wo immer sie gebraucht wird, aber wir achten auch darauf, dass ab 22 Uhr Ruhe einkehrt, um Störungen zu vermeiden." Und dann strahlt sie plötzlich: "Und wie schön ist die Arbeit erst einmal, wenn man die Kinder auf einer Holzbank vor sich sitzen hat, ihre Beine wippen durch die Luft und sie quietschen vor Vergnügen über die Lollies, die die Zunge bunt färben und die Grimassen, die wir spielerisch ziehen. Ihr Kinderlachen ist unbezahlbar."

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