LANDKREIS (bb). Zum Jahreswechsel hat Landrat Jörg Farr seine Betroffenheit über die die vergangenen Monate prägenden Krisen und Kriege in verschiedenen Teilen der Welt zum Ausdruck gebracht. Ein Stück weit würden deren Auswirkungen mit den ankommenden Flüchtlingen auch direkt in Schaumburg spürbar. In Bezug auf die Entwicklungsperspektiven des Landkreises zeigte sich Farr zuversichtlich. Bei einer robusten wirtschaftlichen Lage mit sinkenden Arbeitslosenzahlen würden weitere Impulse zur Stärkung der heimischen Betriebe gesetzt. Mit dem Start der Arbeiten zum Bau des neuen Gesamtklinikums sowie zum Ausbau der B 65 seien zwei große, zukunftsweisende Infrastruktur-Projekte im Landkreis in die Umsetzungsphase gegangen. Die große Bereitschaft der Schaumburger, sich mit ehrenamtlichem Einsatz aktiv für das gelingende Zusammenleben im Landkreis zu engagieren, sei ungebrochen.
Aufnahme von Flüchtlingen "2014 bleibt sicherlich auch als ein Jahr der Krisen in Erinnerung", erklärte der Landrat. Bei der Vielzahl der Konflikte scheine es 100 Jahre nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges und 75 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkrieges manchmal, als ob niemand aus diesen Erfahrungen gelernt habe. Farr wies auf die Krisen in Afrika, im Nahen Osten und auch in der Ukraine hin, die viele Menschen in unendliches Leid stürzen würden. Millionen seien auf der Flucht. Diese Situation erreiche nun auch Deutschland und den Landkreis Schaumburg ganz unmittelbar. In 2014 seien in der Bundesrepublik 200.000 Neuanträge auf Asyl gestellt worden. "Bei uns in den Städten und Dörfern sind viele Menschen, viele Familien angekommen, die hier Schutz suchen vor Krieg, Gewalt, Vertreibung. Oft haben sie nach einer langen Flucht nichts retten können als ihr blankes Überleben", so Farr.
Wirtschaft
Die Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Landkreis in den vergangenen Jahren stimme zuversichtlich. Dies werde durch einen Blick auf die Arbeitslosenzahlen deutlich. Diese hätten sich von etwa 14 Prozent im Jahr 2005 auf einen eher moderaten Wert von aktuell rund 6,7 Prozent abgesenkt. Früher deutlich darüber, bewege sich Schaumburg damit mittlerweile im Landesdurchschnitt. Die sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse hätten seit 2009 wieder zugelegt und erreichten derzeit rund 38.800 Beschäftigte.
Gesamtklinikum und Ausbau der B 65
Max-und-Moritz-Jubiläumsjahr
Bürgerschaftliches Engagement
Der Landkreis versuche gemeinsam mit Städten und Gemeinden die Menschen soweit wie irgend möglich in Wohnungen unterzubringen. Bei dem Anstieg der Zahlen sei es allerdings nötig geworden, Gemeinschaftsunterkünfte einzurichten. "Hier hat uns sehr geholfen, dass örtliche Initiativen aus Vertretern von Gemeinden, Kirchen, Vereinen, Verbänden und auch aus der Nachbarschaft bereit gewesen sind, Verantwortung zu übernehmen, Mitmenschlichkeit zu zeigen und sich um die Flüchtlinge zu kümmern", hielt Farr fest. All dies werde begleitet durch die professionelle Sozialarbeit, welche der Landkreis gemeinsam mit der Arbeiterwohlfahrt aufgebaut habe. Ein Abflauen der internationalen Krisen sei derzeit nicht absehbar. Vor diesem Hintergrund werde auch Deutschland weiterhin Zufluchtsort für in Not geratene Menschen bleiben. "Wir dürfen Ausländerfeindlichkeit oder Fremdenhass auch in Zukunft keinen Raum bieten", betonte der Landrat.
"Damit sind wir noch nicht am Ziel", verwies Farr auf die Maßnahmen zur Wirtschaftsförderung. Als wichtige Aufgabe habe sich der Landkreis die Unterstützung der zahlreichen kleinen und mittleren produzierenden Unternehmen in Schaumburg gesetzt. Ziel sei die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Arbeitsplatzsicherung und die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Auf diesem Feld habe der Kreistag für die nächsten sieben Jahre ein "ganz deutliches positives Zeichen gesetzt". Unabhängig von den Rahmenbedingungen der künftigen EU-Förderung stelle der Landkreis für "ProInvest" als Investitionsprogramm und für den Technologietransfer bis 2022 2,51 Millionen Euro bereit. Diese Mittel kämen direkt der Innovation und Weiterentwicklung heimischer Betrieben zugute.
In diesem Zusammenhang sei auch der erfolgreiche Abschluss der Prozesse in den beiden "Leader-Regionen" zu nennen. Sowohl für die Region "Schaumburger Land" als auch die Region "Westliches Weserbergland" seien im Rahmen des EU-Förderprogramms zur Stärkung des ländlichen Raumes in den heimischen Dörfern und Gemeinden eine Reihe sehr vorzeigbarer Projekte entwickelt worden, zum Beispiel das Lauenhäger Bauernhaus, die Aufwertung der Wilhelm-Busch-Radroute oder die Sanierung von Kurtheater und -saal in Bad Eilsen sowie des Brunnentempels in Bad Nenndorf. Dabei sei insbesondere auch den Wirtschafts- und Sozialpartnern zu danken, die intensiv an den Prozessen mitgewirkt hätten. Der Schwung der erfolgreichen Projektbegleitung sei gleich in die Bewerbung für die nächste Förderperiode unter dem Motto "Schaumburger Land – Kulturregion mit Zukunft" geleitet worden. Nun gelte es, die Daumen zu drücken, dass das Land in 2015 seine Zusage gebe, damit im Rahmen von "Leader" Städte und Dörfer im Landkreis weiterhin kontinuierlich entwickelt werden könnten. Hier sei Leader mit seinem Fördervolumen von rund 2,4 Millionen Euro für die kommende Periode ein wichtiger Baustein.
Die Leitstelle für Klimaschutz habe nach ihrer Arbeitsaufnahme in 2014 bereits viele positive Impulse gesetzt. In zwei Monaten starte nun die Kampagne "Mach dein Haus fit". Mit ihr werde für die Schaumburger Eigenheimbesitzer eine Beratungskampagne zum energetischen Sanieren aufgelegt. Mit der Kampagne solle die private Sanierungsquote erhöht werden. Angesichts der niedrigen Zinsen auf dem Sparkonto seien viele Menschen zu entsprechenden Investitionen bereit. Dies diene dem Klimaschutz, gleichzeitig erhoffe sich der Landkreis Impulse für das heimische Handwerk. Dämmung an Dach und Fassade, der Austausch alter Fenster oder der Heizungsanlage, solche Maßnahmen würden insbesondere auch die Auftragsbücher heimischer Handwerksbetriebe füllen. "Ich freue mich deswegen auch, dass das Projekt von den örtlichen Bankinstituten und der Kreishandwerkerschaft so intensiv unterstützt wird", erklärte Jörg Farr.
Einen umfassenden Eindruck von der Leistungsfähigkeit der Schaumburger Wirtschaft habe die Schaumburger Regionalschau im vergangenen April vermittelt. "Die vielen Besucher und Aussteller haben auch diese Regionalschau wieder zu einem besonderen Erfolg werden lassen. Dies weckt die Vorfreude auf die nächste Regionalschau im Jahr 2017", so Farr.
Mit dem Jahr 2014 sei der Startschuss zur Umsetzung zweier wichtiger Infrastrukturprojekte für den Landkreis verbunden. Der Bau des Gesamtklinikums Schaumburger Land werde eine moderne medizinische Versorgung für die heimische Bevölkerung sicherstellen. Nur durch das neue Klinikum könne die Krankenhausversorgung im Landkreis überhaupt dauerhaft erhalten werden. In vielen Regionen Niedersachsen führe die Landesregierung derzeit Gespräche zur Umgestaltung der Krankenhaus-Strukturen, der Schaumburger Weg diene hierbei als beispielhafte Lösung. Die Krankenhauslandschaft befinde sich im Umbruch, zwei Drittel aller Häuser in Niedersachsen würden Defizite, teils hohe Defizite, aufweisen. So sei es ein mutiger Schritt nach vorn gewesen, ein neues Haus der Schwerpunktversorgung aufzubauen, mit neuen medizinischen Leistungen wie geriatrischen oder neurologischen Schwerpunkten. Zurzeit würden in den drei Schaumburger Kliniken rund 21.000 Menschen behandelt. 8000 Patienten würden den Landkreis für bestimmte spezialisierte medizinische Behandlungen verlassen, die es hier bisher nicht gebe. Mit der Ausweitung des Leistungs-Angebotes im neuen Krankenhaus würden sich deshalb für viele Schaumburger Wege verkürzen, weil sie eine qualifizierte medizinische Versorgung dann innerhalb der Landkreis-Grenzen finden könnten. In 2015 würden Führungen für auf der Baustelle in Vehlen angeboten, bei denen sich Interessierte über den Baufortschritt informieren können.
Mancher Bürger zeige sich verunsichert über die Organisation des Rettungsdienstes im Landkreis, solche Sorgen seien jedoch unbegründet. Die Rettungswachen würden nämlich wie bisher verteilt im Landkreis an den bisherigen Standorten erhalten bleiben. Technisch würde der Rettungsdienst noch besser ausgestattet, so dass nach dem bewährten Konzept die Rettungskräfte zur Erstversorgung des Patienten mit allen lebenserhaltenden Maßnahmen weiterhin nach kurzer Zeit an jedem Punkt des Landkreises vor Ort seien. Wie bisher würden die Patienten dann am Unfallort stabilisiert und anschließend zur Weiterbehandlung in die Klinik gefahren.
Fast unbemerkt sei mit dem Beginn der Arbeiten für den Ausbau der B 65 das zweite bedeutende Infrastrukturprojekt für den Landkreis angelaufen. Zunächst würden die zuführenden Straßen im Raum Heuerßen in Angriff genommen. "Es ist gut, dass die im letzten Jahr entstandenen Irritationen zu Finanzierungsfragen mit der Freigabe der Mittel durch den Bund mittlerweile beseitigt sind. Die Hauptbaumaßnahme, also der Ausbau der B 65 selbst, wird 2015 begonnen", so Jörg Farr. Die Fahrzeitverkürzung sei dabei nur ein Aspekt, insbesondere gehe es auch um die Erhöhung der Verkehrssicherheit auf der an manchen Stellen unübersichtlichen Strecke.
Mit Vorfreude blicke er den Veranstaltungen im "Max-und-Moritz-Jubiläumsjahr 2015" entgegen, erklärte Farr. Vor 150 Jahren sind die Lausbubengeschichten von Wilhelm Busch erstmals veröffentlicht worden. "Wir wollen diese Geschichten und ihren berühmten Schaumburger Verfasser, im Grunde der Urvater des Comics, mit Veranstaltungen quer durch das ganze Jahr ehren. Der Start erfolge mit einem Gastspiel des bekannten Berliner Ensembles bereits am 10. Januar in Stadthagen und am 11. Januar in Bad Nenndorf. Kindergarten-Aktionen, Schulwettbewerbe, Lesungen, Musical-Aufführungen in verschiedenen Orten des Landkreises würden folgen, um das Interesse an Wilhelm-Busch neu zu wecken und damit vielleicht auch die Lust auf einen Besuch in Wiedensahl, Buschs Geburtsort und langjährige Wirkungsstätte.
Farr hob das bürgerschaftliche Engagement hervor, das viele Schaumburger auch und besonders im Jahr 2014 aufgebracht hätten. Neben den klassischen Hilfsorganisationen wie den Feuerwehren, dem DRK, dem THW und weiteren, die seit Jahrzehnten mit größtem Einsatz für das Allgemeinwohl wirken würden, seien 2014 besonders die Schaumburger zu erwähnen, die sich privat und ehrenamtlich um die Flüchtlingsarbeit kümmern. Besonders freue er sich auch, dass das gelungene Modell des "Bürgerbusses Niedernwöhren" Schule mache, landesweit Beachtung finde und Pate stehe für ähnliche Projekte in Nienstädt und Lindhorst. Nicht zuletzt solches bürgerschaftliche Engagement stimme zuversichtlich, im Landkreis Schaumburg auch die zukünftigen Herausforderungen zu bewältigen. "Vieles ist geschafft, vieles bleibt noch zu tun", fasste Farr zum Jahreswechsel zusammen.
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