1. Lügder trotzten den Nazis

    Spannende Geschichte: Kreuz auf dem Osterberg wird 80

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    Lügde (afk). Weithin sichtbar thront das Kreuz auf dem Osterberg in Lügde. Am Samstag, 25. Juli, ist es genau 80 Jahre her, seit es errichtet wurde. Ein Aktion, die seinerzeit – im Dritten Reich – nicht ohne Bedeutung und Auswirkung war. Aus dem eigenen Archiv bzw. durch Nachforschungen von Eduard Stumpe sen. und Johannes Waldhoff (Steinheim) arbeitete der Heimatforscher und Pressesprecher Dieter Stumpe die Geschichte zum Jahrestag auf. Schon bald nach der Machtergreifung 1933 hatten die Nationalsozialisten den weitbekannten Osterräderlauf zu Lügde als germanisches, unverfälschtes Brauchtum für sich reklamiert und ihn zu einer nationalen Lichtfeier umgestaltet. Mit krassem Neuheidentum waren Einheimische und Besucher konfrontiert worden, denn die neuen Machthaber ließen früh erkennen, dass ihnen bei der Neugestaltung Deutschlands, Kreuz und Christen im Wege waren. Der Tradition entsprechend wurde am Ostertag von den Dechen an der Ablaufstelle ein sechs Meter hohes Holzkreuz errichtet, zum Ärger der Nationalsozialisten. Ohne sich wehren zu können, mussten die Lügder Bürger hinnehmen, wie die Nationalsozialisten aus dem christlichen Osterfest und aus dem uralten Brauchtum des Osterräderlaufes eine germanische Lichtfeier gemacht hatten. Nun beschlossen die Lügder Dechen und Bürger ein Zeichen zu setzen. Der Landwirt Johannes Blome erhielt im Frühjahr 1935 die Genehmigung auf seinem Grundstück, auf dem Osterberg, ein Kreuz zu errichten. Das war nicht schwer, denn die Verwaltung der Stadt Lügde stand auf der Seite der Dechen und Bevölkerung. Gleichgesinnte (hier stellvertretend nur einige Namen genannt: August Rüsenberg, Franz Kleine, Otto Krüger, Josef Tintelott, Organist Johann Deppe, Fritz Wegener, Pfarrer Franz Vogel, Vikar Otto Große, Vikar August Henneke, Stellmachermeister Johannes Blome, Johannes Gärtner) fassten alle je nach Beruf und Talent kräftig an. Praktisch über Nacht stand am 25. Juli 1935 auf dem Osterberg, weithin sichtbar ein gewaltiges zirka zehn Meter hohes Holzkreuz, Symbol christlichen Glaubens und Absage an das germanische Neuheidentum. Gezimmert wurde das Kreuz in Sagels Scheune unter der Regie von Stellmachermeister Johannes Blome und Bautischler Johannes Gärtner. Unterdessen hatten weitere aus der Gruppe aus dem Steinbruch im Dahlsen die Bruchsteine für ein Sockelfundament von zwei Metern Höhe und vier Metern Breite bzw. Länge herausgebrochen und bearbeitet. Die Gruppe arbeitete so verschwiegen, dass die Aktion in der Stadt kaum bekannt war. Umso größer war dann das Erstaunen der Bürger, auf dem Osterberg dieses Kreuz zu sehen. Im Fundamentsockel wurde eine Urkunde mit den Unterschriften einiger Initiatoren eingemauert.

    Auch die Nazis übersahen dieses Kreuz natürlich nicht. Sie prangerten zwar im Aushangkasten am Rathaus der Stadt die mutigen Bekenner an, jedoch ohne Erfolg, denn das Kreuz war auf privatem Grundstück errichtet worden und musste daher geduldet werden. Durch den Brief eines übereifrigen Fotografen vom 7. März 1936 an den Regierungspräsidenten in Minden, Freiherr von Oeynhausen, wurde die Aktion allerdings auch auf höherer politischer Ebene bekannt. Als evangelischer Christ war von Oeynhausen, in der Umgebung des Klosters Marienmünster aufgewachsen und hatte, wie er an anderer Stelle einmal betonte, stets eine große Achtung vor dem äußeren Zeichen katholischer Gottesverehrung gehabt. Stumpe: "Wenn dieser Mann eines nicht ausstehen konnte, dann waren es sektierische Eiferer. Vermutlich erhielt der Fotograf einen scharfen Verweis des Regierungspräsidenten, denn bei der angeordneten polizeilichen Vernehmung blieb nichts von seiner Großspurigkeit." Der für Lügde zuständige Landrat, Dr. Reschke in Höxter, wurde zu einem Bericht aufgefordert. In seinem Schreiben vom 9. Juni 1936 führte er zunächst aus, dass Johannes Blome das Kreuz auf seinem Grundstück mit baupolizeilicher Genehmigung errichtet habe, dass die Errichtung von Kreuzen in dieser Gegend durchaus landesüblich sei, und dass das Kreuz bei Lügde weder die Landschaft verunstalte noch den Osterräderlauf störe. "Zu bewundern bleibt der Mut dieser Lügder Bürger. Sie hatten alle mit Repressalien zu rechnen, denn niemand konnte ahnen, dass sie in der Verwaltungsspitze in Minden und Höxter Männer auf ihrer Seite haben würden", sagt Dieter Stumpe heute. "Sie hatten auf Familie und Beruf Rücksicht zu nehmen, aber unbeeindruckt vom braunen Terror im Land setzten sie sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten für ihren Glauben, ihre Heimat und ihr überliefertes Brauchtum ein. Sie setzten ein Zeichen, nicht nur aus Holz, auch in den Herzen vieler Mitmenschen." Obwohl auf Befehl Himmlers die SS 1938 den Osterlauf übernahm und sogar ein neues - sogenanntes Führerrad - stiftete, überstand das Kreuz auf dem Osterberg das sog. "tausendjährige Reich", überstand den übertriebenen Germanenkult und auch die schwere Nachkriegszeit. 1958 erwarb der Dechenverein das Kreuzgrundstück und nahm somit auch das Kreuz in seine Obhut und Pflege. 1970 und 1998 wurde das Kreuz durch den Dechenverein erneuert. Jedes Jahr zur Osterzeit leuchtet nun das Kreuz in der Dunkelheit des erwachenden Frühlings. Ankündend die Osterzeit aber auch zugleich erinnernd an die mutigen Lügder Bürger.

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