1. Präventivarbeit permanent verbessern

    Qualitätssiegel bestätigt gute Arbeit im Kampf gegen antibiotika-resistente Keime

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    Kreis Lippe (nok). Die Gefahr ist erkannt. Sie zu mindern ist keine einfache Aufgabe und bedarf gemeinschaftlicher Anstrengungen von Human- und Tiermedizin, Politik, Landwirtschaft und Verbraucher. Multiresistente Erreger (MRE) bedrohen immer häufiger die Gesundheit/Genesung von Krankenhauspatienten oder Bewohnern von Senioreneinrichtungen. Besondere Präventivmaßnahmen bekämpfen zwar nicht die Ursache, schützen aber zumindest vor der Ausbreitung gefährlicher Keime. Im Klinikum Lippe und in den Kreissenioreneinrichtungen orientieren sich Ärzte, Hygienefachkräfte und Pflegepersonal bei ihrer täglichen Arbeit an einem von Experten und Wissenschaftlern erarbeiteten Zehn-Punkte-Plan. Die Umsetzung dieser definierten Qualitätsziele haben dem Klinikum und den Senioreneinrichtungen jetzt ein Gütesiegel beschert. Landesweit sind nach Auskunft des Medizinischen Geschäftsführers Dr. Helmut Middeke 39 Einrichtungen mit diesem Qualitätssiegel ausgezeichnet. Grundsätzlich sei man sehr stolz auf diese Auszeichnung, weil sie die Bemühungen des Klinikums und der Seniorenheime verdeutliche. Die Bewertung und die Einhaltung der Qualitätsziele werden vom 2009 gegründeten "Regionalen Netzwerk zur Prävention multiresistenter Erreger in Ostwestfalen-Lippe" (MRE-OWL) vorgenommen und überprüft. In diesem 2009 gegründeten Netzwerk kooperieren alle Gesundheitsämter in OWL und die Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld. Für Dr. Helmut Günther vom Kreisgesundheitsamt sind diese Maßnahmen allerdings nur ein Baustein im Kampf gegen die "bakterielle Bedrohung". Seit über fünf Jahren befasst er sich im MRE-Netzwerk Ostwestfalen-Lippe intensiv mit dem wachsenden Problem der multiresistenten Erreger. "Die Krankenhäuser; Kliniken und Heime sind aber nicht das ursächliche Problem, sie sind eigentlich eher die Leidtragenden", so Dr. Günter bei der Übergabe der Qualitätssiegel. Die Resistenzen seien auf den enorm angestiegenen Antibiotikaeinsatz in der Tier- und Humanmedizin sowie in der Tiermast begründet. Ein besonderes Augenmerk legt das Netzwerk deshalb auf bewussteren und deutlich reduzierten Einsatz von Antibiotika. "Es ist sehr kritisch zu betrachten, wenn diese in der Massentierhaltung über das Futter auf breiter Ebene prophylaktisch eingesetzt werden", sagt Dr. Heike Scharpenberg, Fachbereichsleiterin für Gesundheit und Verbraucherschutz Kreis Lippe und wünscht sich in diesem Zusammenhang eine Änderung im Arzneimittelrecht. Eine erst kürzlich angeordnete Antibiotika-Datenbank sei ein Ansatzpunkt für ein Umdenken. Im bundesweiten Vergleich würden in der Region OWL tendenziell weniger Antibiotika eingesetzt als in anderen Landkreisen. Wie sich nicht nur in der Tiermedizin, sondern insbesondere auch in der Humanmedizin ein bewussterer Umgang mit Antibiotika erreichen lässt, zeigt das Beispiel eines Nachbarlandes. "In den Niederlanden muss ein Rezept von zwei Ärzten unabhängig voneinander unterzeichnet werden. Dies hat zu einer deutlichen Reduzierung von Antibiotika-Verabreichungen geführt", so Dr. Helmut Günther im Gespräch mit dieser Zeitung. Auch bei der Bekämpfung der multiresistenten Erreger in Krankenhäusern sind die Präventivmaßnahmen der Niederländer den hiesigen Bestimmungen voraus. Nach dem Motto "Search & Destroy" wird dort jeder Risikopatient (ungeachtet davon, ob er Infektionssymptome aufweist oder nicht) bei der Einweisung/Aufnahme so lange isoliert, bis ein Schnelltest mögliche Resistenzen widerlegt. Dieses gilt bedingt sogar für Notfallpatienten. Auch wenn sich die Vorbeugungsmaßnahmen in NRW mit dem 10-Punkte-Plan diesem Modell annähern, sind die Mittel und Möglichkeiten zu einer prophylaktischen Isolierung hier noch stark eingeschränkt. Das jetzt ausgestellte MRE-Qualitätssiegel schreibt auch Eingangsscreening (Patientenbefragung und daraus resultierend ggf. einen Abstrich und anschließenden Schnelltest) vor. Der Patient wird in Deutschland allerdings erst nach einem positiven Eingangsbefund isoliert. "Wir haben für die Bewerbung um das Siegel nicht nur die Risikopatienten, sondern eine Woche lang alle unsere Neupatienten auf MRSA-Keime getestet", erklärt Priv. Doz. Dr. Jens Gieffers, Krankenhaushygieniker des  Klinikums Lippe. "Das Ergebnis hat gezeigt: Die MRSA-Belastung der lippischen Bevölkerung entspricht den durchschnittlichen bundesdeutschen Werten. Das bedeutet, in Lippe gibt es zwar ein Ansteckungspotential mit antibiotikaresistenten Keimen, dem aber mit den ergriffenen Maßnahmen wirksam begegnet werden kann", so Gieffers. Bei den MRSA-Keimen handelt es sich sich um den "Methillicin-resistenten Staphylococcus aureus. Für gesunde Menschen stellen diese, keinesfalls außergewöhnlichen oder gar seltenen Bakterien keine Gefahr dar. Bei immungeschwächten Patienten kann dieses Bakterium aber lebensbedrohliche Infektionen verursachen. Neben dem Eingangsscreening für Risikopatienten fordert das Siegel unter anderem auch den Einsatz von Krankenhaushygienikern, die Infektionen verhindern, erkennen und bekämpfen sollen. In Lemgo und Detmold sind jeweils zwei hauptamtliche Hygieniker beschäftigt. "Dort, wo die Menschen besonders gefährdet sind, in unserem Klinikum und in den Senioreneinrichtungen des Kreises, legen wir besonderes Augenmerk darauf, die uns anvertrauten Menschen zu schützen", erklärt Landrat Friedel Heuwinkel. Zusammen mit Amtsarzt Dr. Helmut Günther verdeutlichte er bei der Siegelübergabe auch, dass es trotz aller Vorsichtsmaßnahmen keinen hundertprozentigen Schutz geben könne. Auch in Lippe können Fälle von MRE-Erkrankungen passieren. "Wichtig ist dann ein professioneller Umgang mit den Erkrankten, damit sich nicht weitere Patienten anstecken", so Dr. Günther. Deshalb gehört auch ein detaillierter Notfallplan bei MRE-Infektionen zu den Siegelkriterien.

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