Andrew Schindel aus dem US-Bundesstaat Maine suchte der Gefühlswelt seiner Mutter Lotte Rosenfeld Ausdruck zu verleihen, die als Teenager in Stadthagen unter den zunehmenden Anfeindungen und Verfolgungen nach der Machtübernahme durch die Nazis litt. Symbolisch habe sich ihre damalige Situation in der Schnitzerei am Haus Wolf am Stadthäger Marktplatz gespiegelt, die einen Kranich zeigt, dessen Kopf im Rachen eines Wolfes steckt. Wie der Kranich habe sich auch die junge Lotte Rosenfeld nach 1933 gefühlt, vollständig umgeben von den Schaumburger und Stadthäger Nationalsozialisten, so Schindel. Lotte und ihrem jüngeren Bruder Kurt Rosenfeld gelang die Flucht aus Deutschland, beide kamen schließlich in die USA. Ihre Mutter Gertrud Rosenfeld, Andrew Schindels Großmutter, wurde von den Nationalsozialisten deportiert und in Osteuropa ermordet. Seine mittlerweile verstorbene Mutter habe eine Mauer aufgebaut gegen die Vergangenheit, gegen den Hass und die Gewalt und kaum über die Zeit in Deutschland gesprochen, so Andrew Schindel in seiner Rede. Er selbst habe nun ein anderes Land und ein anderes Stadthagen gefunden, als es seine Mutter erlebte. Ein Stadthagen, das nicht vergessen habe und das die Erinnerung an die Opfer der Verfolgung bewahre. Andrew Schindel dankte den Mitgliedern des Arbeitskreises "Geschichte der Juden in Stadthagen" des Fördervereins ehemalige Synagoge um Jürgen Lingner für ihre Forschungsarbeit und ihre Initiative zur Verlegung der Stolpersteine. Die drei Gedenk-Steine für seine Großmutter, Mutter und seinen Onkel wurden vor dem Haus in der Westernstraße 12 verlegt. Ebenso wie Schindel waren Mitglieder der Familie Rosenfeld aus Israel nach Stadthagen gereist, um der Stolperstein-Verlegung für Erich und Ernst Rosenfeld beizuwohnen. Die beiden Zwillingsbrüder wanderten angesichts der Verfolgungen in Deutschland nach Palästina aus. Ariel Rosenfeld, Enkel von Erich Rosenfeld, hob in seiner Rede hervor, dass die Familie Rosenfeld einst fest in der deutschen Gesellschaft verankert gewesen sei. Er erinnerte an den Einsatz jüdischer Bürger, die "in deutscher Uniform im Ersten Weltkrieg für das Land kämpften, das sie für ihr Vaterland hielten". 20 Jahre später wurden sie mit ihren Familien und Freunden in den Konzentrationslagern von Deutschen ermordet. Seinem Großvater Erich Rosenfeld gelang 1936 die Flucht nach Palästina. Vertrieben und gedemütigt zu werden von dem Land, das er für seine Heimat hielt, habe in ihm eine tiefe Wunde hinterlassen. Als Pionier habe er dann am Aufbau des Staates Israel mitgewirkt, unter anderem im Straßenbau. Obwohl er dabei schwere Zeiten erlebt habe, habe Erich Rosenfeld nie geklagt. In Israel sei er schließlich als freier Mann in einem Land gestorben, in dem er sicher vor Verfolgung war. Sein Zwillingsbruder Ernst sei wenige Monate zuvor verschieden. Wie für die Rosenfelds wurden für insgesamt 19 Opfer des Nationalsozialismus Stolpersteine ins Straßenpflaster Stadthagens gesetzt, jeweils am letzten freiwillig gewählten Wohnort der Verfolgten. Damit sind nun 55 Steine für die jüdischen Opfer in Stadthagen verlegt. Alle Steine wurden durch Spenden finanziert. Seev Rosenfeld, Sohn von Erich Rosenfeld, berichtete, dass der Besuch in Stadthagen für ihn und seine Familie ein sehr emotionales Erlebnis gewesen sei. Bis vor kurzem habe er nicht gewusst, dass er mit Andrew Schindel einen Cousin hat. Sein Vater und sein Onkel hätten kaum über die Vergangenheit berichtet. Erst als Susanne Schlader vom Arbeitskreis des Fördervereins zu ihm Kontakt aufnahm, habe er Kenntnis von Schindel erhalten. Hinzu kamen viele Informationen zur Biographie von Vater und Onkel und zur Familien-Geschichte, welche die "heilige Susanne", so Seev Rosenfeld, erarbeitet hat. Die vom Arbeitskreis erstellten Broschüren mit den Biographien der Opfer sind im I-Punkt am Marktplatz erhältlich.Foto: bb
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Die Erinnerung an die Verfolgten bewahren
Verlegung von weiteren Stolpersteinen in der Kreisstadt / Bewegende Beiträge von Angehörigen und Schülern
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