1. Scherers an der Beckerath-Orgel

    Zweites Konzert des "Lippischen Orgelsommers"

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    Bad Salzuflen (pgk). Es sollte ein Aufeinandertreffen zweier grundverschiedener, aber doch irgendwie artverwandter Urgewalten werden: Der vitale, überzeugende und energiegeladene musische Impetus von Prof. Dr. Bernd Scherers, Leiter des Musikinstituts der Universität Flensburg und ehemaliger Schüler der berühmten Pariser Organisten Gaston Litaize und Jean Langlais (Konzertexamen 1983) und die beeindruckende Dynamik eines Wärmegewitters, das sich zeitgleich über der Erlöserkirche entlud und mit seinen thermischen Vorboten (28 °C Kirchentemperatur) Konzertprogramme zu kühlenden Fächern mutieren ließ, vor allem aber dem Solisten erhebliche zusätzliche Energien abverlangte für sein ohnehin umfangreiches und anspruchsvolles Programm. Dementsprechend rasant und hochenergetisch präsentierte Scherers dann auch den "Choral II a-moll" des französischen Komponisten und Organisten César Franck, der hier keinen Kirchenchoral, sondern ein freies Thema bearbeitet. Begeisternd, die vital gespielten gebrochenen Akkorde in der Einleitung, gefolgt von einem hoch meditativ angelegten und sensibel registrierten Zwischenteil. Besonders in der perfekten Beherrschung dieser faszinierenden Wechsel in Ausdruck und Klangfarbe, die das gesamte Werk durchziehen, verdeutlichte Scherers den signifikanten Fingerabdruck seiner großen französischen Orgellehrer und mit weit ausladenden majestätischen Passagen ließ er dieses Bravourstück "mit allen Orgelpfeifen" (Tutti) effektvoll verklingen. Abwechslungsreicher informativer Service für den Konzertbesucher: Astrid Röhrs, Kantorin und Organistin der lutherischen Gemeinde, berichtete mit Unterstützung durch ideenreiche Klangbeispiele (Scherers) gleich zu Beginn des Konzertes Wissenswertes von diesen Pfeifen und der dazugehörigen Orgel, die im Jahre 1971 mit ihren 28 klingenden Registern vom Firmengründer Orgelbaumeister Rudolf von Beckerath persönlich konzipiert wurde und ihren Platz nicht wie gewöhnlich auf der Empore, sondern "im Angesicht der Gemeinde" (rechts neben dem Altar) fand - eine integrierende Geste, sicher, aber auch eine gewöhnungsbedürftige Voraussetzung, besonders für lampenfiebergefährdete junge Musiker. Bei der "Maytime Gavotte" von Alfred Hollins, einem blinden englischen Komponisten und Organisten, entwickelte Scherers mit verspielter, lockerer, fast tänzerischer Registrier- und fein ausdifferenzierter Spielweise tatsächliche Frühlingsgefühle beim Zuhörer und stellte damit wirkungsvoll unter Beweis, dass er ein gewaltiges Spektrum instrumentaler Ausdrucksmittel beherrscht und nicht auf französische Orgelmusik festgelegt ist. Auch beim "Konzertstück op. 52a" des Belgiers Flor Peeters war große Variabilität in der Spieltechnik und Registrierung gefragt: Als Umregistrierungshilfe nutzte Scherers hier die in der Beckerath-Orgel eingebaute Registerprogrammierung (Setzer) und konnte auf diese Weise nach einer kraftvollen Einleitung ein feines spätromantisches Thema langsam erblühen lassen und schließlich eindrucksvoll bis zu einer Art "freien Wildnis" entfalten. Nach einem gefühlvollen und zart interpretierten schönen spätromantischen "Capriccio fis-moll" von Mieczyslaw Surzinski begeisterte zum Abschluss eine dreisätzige Suite des Kanadiers Denis Bédard (* 1950) die Konzertbesucher mit brillant gespielten musikalischen Verschachtelungen und quirligen Einfällen, ohne die Tonalität dabei in erheblichem Maße zu verlassen, einem stellenweise groß ausregistrierten "Lamento" (2. Satz) - im Timing wie abgesprochen mit dem gerade erreichten Gewittermaximum über der Kirche - und schließlich noch mit einer hochvital angelegten "Toccata" (3. Satz), die Scherers mit überzeugender Spielfreude professionell meisterte und deren pfeffrig gespielter hochrhythmischer Abschluss in zugabepflichtigem Beifall mündete. Ein beeindruckender Konzert-Gewitterabend.

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