1. Wo Aschenputtel "Cendrillon" heißt

    Hochschule für Musik inszeniert Massenets Feenmärchen

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    Detmold (kh). Die Sänger warten schon. Machen kleine Stimmübungen. Wie in leise Selbstgespräche versunken. Oder schlendern umher. In Kostüm und Maske. Posieren in dem ungewohnten Outfit. Vom Orchester indes fehlt jede Spur. Keiner da. Was jedoch seine Richtigkeit hat. Sein Auftritt kommt erst noch. In ein paar Tagen. Heute ersetzt Hye Ryung Lee am Klavier die Instrumentalisten. Dirigent Prof. Fabrio Vettraino leitet derweil das Bühnengeschehen vom leeren Orchestergraben aus. Und dass es Regisseur Prof. Thomas Mittmann nicht immer auf seinem Platz hält und er nimmermüde wird, eins ums andere Mal vom Zuschauerraum auf die Bühne und zurück zu tigern – auch das wundert niemanden.

    Denn es ist Hauptprobe. Da wird gefeilt und korrigiert. Und auch mal beherzt geschimpft. Wobei trotz aller Arbeitsatmosphäre eins schon jetzt klar ist – die jüngste Produktion der Opernschule der HfM ist auf bestem Wege am kommenden Samstagabend, 4. Juli ihr Publikum zu begeistern. Dann nämlich, wenn auch das Orchester da sein und Vettraino gemeinsam mit den jungen Musikern spätromantische Opernklänge erblühen lassen wird: "Cendrillon" steht auf dem Programm – ein Werk, dessen Inhalt jeder kennt, dessen Vertonung von Jules Massenet aus dem Jahr 1899 aber vielen unbekannt sein dürfte. Denn wer hat sie nicht schon irgendwann einmal gebannt verfolgt, die Spur des verlorenen Schuhs? Sich beim Vorlesenlassen oder im Film darüber gefreut, wenn am Schluss aus der verhassten Stieftochter die strahlende Prinzessin wird? Aschenputtel, Cinderella, Cenerentola ... Wie Geschichte und Film lässt auch Massenets feinsinnige Partitur keinen Zweifel: "Cendrillon" ist ein Märchen. Nicht allerdings auf der hierzulande bekannten Version der Gebrüder Grimm basierend, sondern auf der schon 1697 entstandenen Fassung des französischen Märchensammlers Charles Perrault. Die Massenetsche Vertonung der Aschenputtel-Story ist ein farbiges und schillerndes Werk, in dem sich empfindsame Melancholie, romantisches Pathos, aber auch abstruser Humor mischen. Charmant verbindet sich hier Heiteres mit Ernstem. Und mit duftigem Orchesterklang und federnder Eleganz schwelgt es auch schon mal in "großer Oper". "Das ist Musik, die zu Herzen rührt", sind sich Regisseur und musikalischer Leiter einig und ergänzen unisono, "... weil sie einfach so schön ist." Und eben jenen zu Herzen gehenden Zauber versuchen Mittmann und Vettraino bei ihrer Inszenierung einzufangen. Natürlich könnte man das Märchen entromantisieren und eine gesellschaftskritische Analyse über ein von böser Stiefmutter und ihren leiblichen Töchtern gemobbtes Mädchen daraus machen oder es in einer Welt ansiedeln, die als bloße Karikatur fragwürdig gewordener Normen und Werte daherkommt. Aber Mittmann und sein Team wollen kein Sozialdrama auf die Bühne bringen: "Es soll märchenhaft bleiben". So wie Vettraino gemeinsam mit dem Hochschulorchester und den Sängern durch Massenets Musik vermag, etwa mit den Partien der Fee und ihrer sechs hilfreichen Geister den Odem des Fin de Siècle in die Konzerthauslüfte zu zaubern, so möchte auch Mittmann den Zuschauer in die Welt dieser Feerie eintauchen lassen: "Man muss sich halt darauf einlassen", sagt er und betont, dass die Inszenierung, in der sechs Studierende ihre Prüfungen ablegen, auch für Jugendliche geeignet sei. Weil das Konzerthaus, in das die Opernschulcrew mit ihrer diesjährigen Produktion wegen Renovierungsarbeiten im Landestheater ausweichen musste, nicht die Möglichkeiten eines Theaterbetriebs bietet, ist das Bühnenbild funktional und einfach gehalten. Michael Engel, der es nach Bildmotiven der Ü3-Gruppe der Musikkindertagesstätte gestaltet hat, kommt mit wenigem Zubehör aus und lenkt damit die Aufmerksamkeit auf die Handlung. Die an barockem Vorbild orientierten Kostüme aus der Werkstatt von Torsten H. Rauer sind dafür umso prunkvoller und punkten mit wohldosierter Übertreibung. Eintrittskarten für die beiden Aufführungen in Kooperation mit dem Landestheater Detmold, die am Samstag, 4. Juli um 19.30 Uhr sowie Sonntag, 5. Juli um 18 Uhr im Konzerthaus stattfinden werden, gibt es zum Preis von 32, 24 und 16 Euro im "Haus der Musik" (Krumme Straße, Detmold, Telefon 05231/302078). Studierende und Schüler erhalten 50 Prozent Ermäßigung.

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