1. Unser Boden hat ein Elefantengedächtnis

    Vortag über die Gefahren von Antibiotika in der Landwirtschaft

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    Lemgo (nr). Die Zahlen von Arzneimittelgaben in Tierhaltung und Landwirtschaft sind erschreckend hoch. Professor Dr. Manfred Grote hat in vielen Studien nachgewiesen, dass der Einsatz von Medikamenten in der Tierhaltung keineswegs unproblematisch ist und Medikamentenrückstände seit langem auch in Feldfrüchten gefunden werden. In einem Vortag über "Verbraucherrisiken durch den Antibiotikaeinsatz in der Landwirtschaft" referierte er über Hintergrunde, Ursachen und Ergebnisse eines heiklen Themas.Multiresistente Keime sind inzwischen stark auf dem Vormarsch. Professor Manfred Grote, Chemiker an der Universität Paderborn, machte in seinem Vortrag deutlich, wie sich diese resistenten Keime ausbreiten konnten und welche Konsequenzen dies für den Verbraucher hat.

    Hieß es 2005 in Deutschland noch, in der Tierhaltung würden 785 Tonnen Antibiotika eingesetzt, so mussten die Zahlen 2011, seit Betreiber von Mastanlagen und Züchter die Gabe von Arzneimittel nachweisen müssen, schon um ein Vielfaches nach oben korrigiert werden. 1734 Tonnen Arzneimittel sollen demzufolge 2011 in der Veterinärmedizin eingesetzt worden sein. "Wenn man in Ställe von Massentierhaltung schaut, weiß man auch, warum das so ist", weiß Professor Grote. "Eine kleine Infektion eines Tieres hätte schwerwiegende Folgen für den gesamten Bestand, sodass tatsächlich alle Tiere Medikamente erhalten müssen." Durch Mängel in Mast- und Zuchtbetrieben, wie starke Ammoniakbelastung, Keime im Tränkewasser und Parasitenbefall sei die Notwendigkeit der Gabe von Arzneimitteln stark angestiegen. Mit diesem Anstieg steigt auch die Zahl der resistenten Stämme. Immer mehr Keime sind nicht therapierbar geworden. Oft nur wenige Jahre nach dem Einsatz verschiedener Antibiotika haben sich resistente Keime entwickelt. Dabei sind nicht nur Medikamentenrückstände im Fleisch der Tiere zu finden. Nur etwa 3 Prozent der Arzneistoffe verbleiben im Tierkörper. 93 Prozent gelangen durch Ausscheidungen der Tiere als Wirtschaftsdünger auf die Felder und gelangen so nachweislich in Getreide und Gemüse. Lange konnte die Wissenschaft nicht nachvollziehen, warum auch immer wieder einmal bei ökologisch arbeitenden Betrieben Medikamentenrückstände in Fleisch, Getreide und Gemüse, aber auch Obst und Honig nachgewiesen werden konnte. Inzwischen weiß die Wissenschaft mehr über das "Elefantengedächtnis" von Boden. "Eingeschlichen in Tonminerale (im obersten Pflanzbereich), kann es zu einer Remobilisierung der chemischen Stoffe kommen", weiß Professor Grote zu berichten. "Die Pflanzen nehmen die Stoffe wieder auf und so gelangen diese erneut in den Nahrungskreislauf."Der Vortrag von Professor Grote, der auf Einladung von Willi Hennebrüder vom "Bund" Lemgo in die Hochschule gekommen war, sollte kein Plädoyer für Produkte aus ökologischen Betrieben sein, sondern mahnte die rund 60 Zuhörer, Verbraucher und Fachpublikum, die in ihrem Umkreis möglichen Vorsorgemaßnahmen zur Vermeidung von Infektionen anzugehen. Darunter fällt für den Chemiker sowohl der umsichtige Einsatz von Antibiotika – auch in der Humanmedizin, wie auch vielfältige hygienische Maßnahmen. "Multiresistente Keime können sehr aggressiv wirken", so Grote. "Da sind Wundinfektionen, Sepsis, Pneumonie, Entzündung von Knochenmark und Herzinnenwand einige der schwerwiegenden Folgen." Verteufeln solle man Bakterien aber nicht, immerhin gäbe es zwischen Mensch und vielen Bakterien eine wichtige Symbiose. Gefährlich seien eben nur ganz bestimmte Keime, die leider immer weniger auf Behandlungen ansprechen würden.

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