Lippe/Kalletal-Stemmen (red). Ganz im Zeichen des Finanz- und Kapitalmarktes stand die Jahresmitgliederversammlung des Lippischen Landwirtschaftlichen Hauptvereins (LLHV). "Wir sind dieses Jahr im Ortsverband Stemmen zu Gast", so der LLHV-Vorsitzende Dieter Hagedorn, "am Rande des Kreises und ein Zeichen, dass das Engagement im Hauptverein nicht von der Größe oder Lage des Vereins abhängig ist." Hagedorn begrüßte neben den Hauptreferenten Dr. Gerd Wesselmann sowie Dr. Frank Wohlgemuth von der WGZ-Bank, viele Ehrengäste sowie Bäuerinnen und Bauern.
Der Vorsitzende Hagedorn veranschaulichte in seiner Begrüßung durch viele Beispiele, dass Landwirte in einem Spannungsfeld zwischen Verbrauchererwartungen, Produktqualität, Kostendruck, internationaler Konkurrenzfähigkeit und einer Fülle von Gesetzen agieren müssen. Eine Gemengelage, die den Bauern zuweilen tiefe Sorgenfalten in die Gesichter zeichnet. Zudem erwarten Marktexperten für 2015 deutliche Einnahmerückgänge. Doch mit schwankenden Preisen können die Bauern leben. Weit mehr Sorgen bereiten den heimischen Bauernfamilien übermäßige Verschärfungen gesetzlicher Auflagen. "Sie sind am Ende gleichbedeutend mit einem Berufsverbot gerade für kleinere Betriebe und beschleunigen den Strukturwandel erheblich", untermauert Hagedorn. Vor allem die politischen Herausforderungen machen den Landwirten zu schaffen. Im Rahmen der nun geltenden Agrarreform, der kommenden Novelle der Düngeverordnung und vieler weiterer Auflagen, die die Bauern treffen, hat der Berufsstand zunehmend Angst vor praxisfernen, politisch motivierten Lösungen. "Die Politiker sollten daran denken, dass Landwirtschaft auch weiterhin wirtschaftlich sein muss, um zu überleben", fordert Hagedorn. "Gerade kleineren Höfen, denen das Geld für große Investitionen fehlt, darf man durch die politischen Entscheidungen nicht die Luft zum Atmen nehmen."
Zu dem Hauptthema der Veranstaltung "Aktuelle Kapitalmarktsituation und Ausblick" sprachen die Referenten Dr. Frank Wohlgemuth, Leiter der Abteilung Research bei der WGZ-Bank sowie Dr. Gerd Wesselmann, Direktor/Bereichsleiter Landwirtschaft der WGZ-Bank. Dr. Wohlgemuth ist bekannt aus Funk und Fernsehen: Er tritt beispielsweise regelmäßig beim Fernsehsender n-tv in der Telebörse auf. Dr. Wohlgemuth erläutert in seinem Vortrag, dass die Anleger sich zukünftig auf eine neue Anlagewelt einstellen müssten, "die Zeiten üppiger Renditen sind vorbei". Ohne Risiko würde es keine Rendite mehr geben. Weiter prognostiziert er, dass die Zinsen in der Eurozone noch sehr lange auf dem extrem niedrigen Niveau verbleiben werden und das Aktien als Anlageklasse aufgrund des Niedrigzinsumfelds an relativer Attraktivität gewinnen.
Dr. Gerd Wesselmann verdeutlichte, dass die derzeitigen niedrigen Zinsen die Finanzierungskosten einer landwirtschaftlichen Investition vergünstigen und langfristig das Zinsniveau bei bestehenden Krediten sichern, allerdings auch Risiken bergen. "So verleiten günstige Kredite zu Über- oder Fehlinvestitionen und auch der Wettbewerbsvorteil ist nur scheinbar, da er allen zur Verfügung steht", so Dr. Wesselmann.
Unter dem Tagesordungspunkt " Wir in Lippe" berichtete Professorin Claudia Jonas von der Hochschule Ostwestfalen-Lippe in Lemgo, Fachbereich Lebensmitteltechnologie und Rohstoffkunde von ihrem neuen Projekt zur Vermeidung der Lebensmittelverschwendung. Das Projekt ermittelt, ob und wie vor Ort aussortierte landwirtschaftliche Erzeugnisse, vor allem Kartoffeln, noch zu Fertigprodukten verarbeitet werden können. Ein Potenzial für Abnehmer bilden hier Großküchen, Krankenhäuser, Hochschulmensen oder Heim- und Werkskantinen. Der Vorsitzende Hagedorn bewertet die Idee gut. "Einwandfreie Lebensmittel dürfen nicht vernichtet werden, nur weil sie Handelsklassenstandards nicht entsprechen", unterstreicht Hagedorn. Der Nahrungswert orientiere sich nicht an der Norm.