1. Über Krisen, Terror und Angst

    RTL-Auslandskorrespondentin Antonia Rados in Lemgo

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    Lemgo (nr). Wenn es in der Welt brennt, Krieg und Terror Angst und Schrecken verbreiten, ist Antonia Rados mittendrin. Hautnah erlebt sie das, was für die meisten Menschen nur mit viel Abstand zu ertragen ist, berichtet scheinbar unerschrocken, erklärt und deckt Hintergründe auf. Beim Finanzforum der Sparkasse sprach sie inder Lipperlandhalle vor 800 geladenen Gästen über Krisengebiete, Angst, die Rolle globaler Netzwerke und wagte einen Blick in die Zukunft des Nahen Ostens. Der Titel ihres Vortrages: "Von Nah-Ost bis zur Ukraine: Chaos oder Neuordnung?"

    Sie wird die "Reporterin mit dem Löwenherz" genannt, aber Mut allein reicht nicht, um in Krisengebiete zu reisen. "Um dort zu überleben muss man vorbereitet sein, wissen, wem man vertrauen kann und immer wieder recherchieren", erzählt sie vor dem eigentlichen Vortrag. Angst habe sie auch, gibt sie unumwunden zu. Sie gehört dazu, aber – und dann ist sie ganz im Thema – genau diese Angst gibt anderen Macht. Einer der beiden wichtigsten Aspekte in ihrem Vortrag. Der andere seien die modernen Netzwerke.

    "Globaler Terror ist die Geißel der Menschheit", erklärt sie. "Terror erzeugt Angst. Diese Angst kann letztendlich alles beherrschen und dass diese Angst globale Auswirkungen hat, liegt schlichtweg an der neuen Vernetzung der Welt."

    Das ist keine reine Behauptung. Antonia Rados kennt Beispiele. Sie schlägt einen Bogen 200 Jahre zurück in die Französische Revolution. Damals starben 40.000 Menschen auf der Guillotine, 400.000 waren im Gefängnis. Verantwortlich für Verleumdungen und Angst waren nur 22 Männer um Maximilien de Robespierre.

    "Stellen sie sich vor, es hätte zu dieser Zeit schon Internet gegeben, und die ganze Welt hätte den Grausamkeiten beigewohnt. Die Situation wäre vergleichbar mit der, die wir zur Zeit im Nahen Osten oder in der Ukraine haben, wo Angst und Terror verbreitet werden", erklärt Antonia Rados. "Und auch heute kennt man nicht alle Hintermänner, weiß nicht, wer die Fäden in der Hand hat. Das gilt für den Nahen Osten ebenso, wie für die Ukraine."

    Aber die Welt kennt die Menschen in den Videos. Junge Männer mit schweren Waffen, die scheinbar eiskalt handeln. "Das sind keine Robespierres", betont Rados. "Das ist Fußvolk, die Männer, die an die Front geschickt werden."

    Sie erzählt von einem jungen Mann, der ihr vor Jahren aus einer gefährlichen Situation heraus geholfen hatte. Heute gehört er zu einer der radikalsten Gruppen des IS. Als sie in fragte, warum, erklärte er ihr, dass er inzwischen Frau und Kinder habe und der IS umgerechnet 400 Euro im Monat bezahlen würde. Er brauche dieses Geld.

    Antonia Rados erklärt Hintergründe, wie beispielsweise die Verteilung in französische und britische Mandate nach dem Zerfall des Türkischen Reichs, wo es heute die größten Probleme gibt. Als 2001 die ersten Anschläge die Welt den Atem anhalten ließen war das ein erstes Alarmzeichen, aber die Vereinten Nationen haben erst 2011 begonnen, sich mehr um den Nahen Osten zu kümmern. Das war auch das Jahr des "Arabischen Frühlings", als sich die Jugend gegen den riesigen Sicherheitsapparat organisierte und auf Freiheit und Demokratie hoffte.

    Die Terrorregimes dieser Welt sind schwer zu fassen. Antonia Rados glaubt aber nicht, dass ihre Macht so groß wird, wie die Welt erwartet.

    "Der IS wird auf keinen Fall eines Tages vor unseren Toren stehen", ist sie überzeugt." Aber die Flüchtlingswellen werden größer werden. "2014 waren es dreimal so viele Flüchtlinge, die nach Europa kamen, als ein Jahr zuvor."

    Chaos, Unordnung und künstlich geschaffene Staatsstrukturen, die nicht den Realitäten entsprechen, seien große Probleme und weder Europa, noch Amerika werden Ordnung bringen können.

    "Die Welt sieht da auf die Türkei und den Iran", erzählt sie. "Die Türkei blickt mehr in den Nahen Osten, als nach Europa und in der islamischen Welt gelte ihr Präsident Erdogan als Vorbild. Allerdings muss man davon ausgehen, dass der Iran diese Stabilisierungsrolle für sich beanspruchen möchte."

    Und was bedeutet all dies für Europa? Antonia Rados gibt Entwarnung. "Es ist eine Politik der Nadelstiche, aber Terrororganisationen übernehmen sich und werden ineffizient. Die eigenen Leute zu terrorisieren, lässt sie hoffentlich bald zusammen brechen."

    Dass, was man sich oft in kleinen Häppchen an Informationen aus Nachrichten holt, sind regelmäßige Momentaufnahmen. Antonia Rados hat in ihrem Vortrag weiter ausgeholt, aus ihrem reichen Erfahrungsschatz berichtet und souverän und kompetent nebenbei die große Weltpolitik erklärt. Auf diese Weise hat sie einen Verständniskreis geschlossen – einen kleinen zwar, aufgrund der Kürze der Zeit, aber einen Kreis und keine kleinen Häppchen.

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