Lemgo (ag). Wer sagt denn, dass eine Ratssitzung langweilig sein muss? In Lemgo nicht. Vor nur spärlich besetzen Zuschauerrängen nahmen die Fraktionen das umstrittene Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) zum Anlass, sich von den jeweils anderen Parteien abzusetzen.
Die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und der SPD hatten einen gemeinsamen Antrag gestellt: Die Bundesregierung sollte aufgefordert werden, die Verhandlungen über die Freihandelsabkommen TTIP und CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) und TiSA (Trade in Services Agreement) zu stoppen, da diese die kommunale Selbstbestimmung der Alten Hansestadt gefährden würden. Rot-Grün schloss sich damit im Wesentlichen den Bedenken des Deutschen Städtetages, des Deutschen Landkreistages, des Deutschen Städte- und Gemeindebundes und des Verbandes Kommunaler Unternehmen an. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Dr. Burkhard Pohl, forderte, öffentliche Dienstleistungen und die Kommunale Daseinsvorsorge aus dem Abkommen auszuklammern und sprach sich vor allem gegen die Privatisierung der Wasserversorgung aus.
Udo Golabeck (Vorsitzender der SPD-Fraktion) wies auf Schiedsgerichte für Investorenschutz hin, die hinter verschlossenen Türen tagen und "die allgemeine Gerichtsbarkeit aushebeln".
Die Fraktion "Gemeinsam für Lemgo" (GfL) mit Fritz Steinke (Die Linke) als Vorsitzendem lehnte "jede Form der Einschränkung kommunaler Demokratie und Selbstverwaltung ab, wie sie durch die geplanten Freihandelsabkommen drohen".
"In der Sache sind wir als BfL mehrheitlich gegen das Freihandelsabkommen. ... Das Freihandelsabkommen kann Auswirkungen auf die Alte Hansestadt Lemgo haben. Insofern kann TTIP auch ein Thema für den Lemgoer Rat werden", sagte Wolfgang Sieweke, Vorsitzender der "Bürger für Lemgo" (BfL), sah in dem Thema jedoch "ein reines Wahlkampfspektakel im Vorfeld der Bürgermeister-Wahl".
Dr. Harald Pohlmann, Fraktionsvorsitzender der CDU, betrachtete TTIP als "kein Thema für den Rat". Die CDU hatte dennoch einen eigenen Antrag gestellt. In dem man sich einem gemeinsamen Papier des Deutschen Gewerkschaftsbundes und der Bundes-SPD anschloss. Dieses Papier steht TTIP deutlich positiver gegenüber, fordert aber eine Vielzahl von Nachbesserungen.
"Wir stimmen ab, ohne zu wissen worüber", wandte die Fraktionsvorsitzende der FDP Barbara Schiek-Hübenthal ein. Denn die Inhalte der Verhandlungen zu TTIP sind Parlamenten und Öffentlichkeit größtenteils nicht zugänglich.
18 Ratsmitglieder unterstützten den Antrag von Rot-Grün (SPD, Grüne und GfL), 14 (CDU und FDP) stimmten dagegen. Die BfL nahm aus Protest nicht an der Abstimmung teil und stattdessen auf der Zuschauertribüne Platz.
Am Ende läuft es auf die Frage hinaus, ob man sich offiziell zu einem Thema äußern sollte, bei welchem man negative Auswirkungen für sich oder andere befürchtet, bei dem man aber keinerlei Mitspracherecht hat. Manch einer nennt es einen "Zwergenaufstand", andere "ein Zeichen setzen".