1. Von luzider Klarheit

    Trompeter Reinhold Friedrich gastiert in Detmold

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    Detmold (kh). "Die Trompete, sie schmettert: tä tä tä tä ... " behauptet ein altbekanntes Kinderlied. Setzt Reinhold Friedrich sein goldglänzendes Instrument an die Lippen, wird man eines Besseren belehrt. Ja, es gibt sogar Momente, da fragt man sich: Ist das überhaupt eine Trompete, die da erklingt? So schwerelos. So warm und lyrisch-zart. Mit beispielloser Transparenz und fabelhafter Feinfühligkeit zieht der 56-jährige Virtuose alle Register der poetischen Töne seines Instrumentes. Und so wird im Laufe des vierten Meisterkonzerts der Hochschule für Musik schnell deutlich, dass die Trompete weitaus mehr ist als nur ein knallendes Signalinstrument oder das Symbol von Pracht, Glanz und Gold.

    Genauso interessant kann es nämlich sein, wenn Komponisten andere Klangfarben für das beliebt-berüchtigte Blechblasinstrument finden. Friedrich hatte dementsprechend nicht die Musiken des 18. Jahrhunderts mitgebracht – jener Zeit also, in die Trompete eine herausragende Rolle spielte –, sondern präsentierte stattdessen eine Fülle spätromantischer und neuerer Literatur sowie Transkriptionen, die das limitierte Solo-Repertoire und die ästhetisch-klanglichen Möglichkeiten der Trompete bereichern. Dazu gehören Karl Pilss’ Sonate für Trompete und Klavier aus dem Jahr 1935 und das Concertino op. 99 von Henri Martelli (1895–1980) ebenso wie beispielsweise eine Sonate aus der Feder von Peter Maxwell Davies (*1934) oder etwa Liedbearbeitungen von Richard Strauss und Gustav Mahler. Allesamt schöne Entdeckungen, die ganz ohne Ansammlungen monotoner Schmetterpiecen auskommen, der Trompete ein neues Gesicht geben und ihre kreativen Möglichkeiten aufzeigen. Das ist spannend, aber auch anstrengend ... und verlangt vom Hörer zeitweilig ein gewisses Durchhaltevermögen.

    Zu genießen gab es trotzdem genug: Denn von Anfang an besticht Friedrichs Spiel durch die Verbindung von Beredsamkeit und Gesanglichkeit. Musikalische Ausdruckskraft paart sich hier mit technischer Perfektion, ohne Gefahr zu laufen, seelenlos zu werden. Beeindruckend, wie auf der vergleichsweise wenig wendigen Trompete Melodien mit der Leichtigkeit einer Flöte fließen. Warm und weich träumt Friedrich die langen Phrasen und bringt sie blühend zu Ende. Passagen, in denen Kraft gefordert ist, meistert er mit Eleganz und unaufgeregter Bestimmtheit. Das sind "Lippentänze" mit einer Biegsamkeit, die ihresgleichen suchen. Hier steht kein "Töne-Stemmer" im Rampenlicht, sondern ein Feingeist, der unprätentiös mit einer über alle Zweifel erhabenen, in seiner Klasse freilich selbstverständlichen Technik. Wagemutig bläst er präzis Staccatoattacken, lässt mit unerhörter Subtilität und einer Singstimme gleich geschmeidig Legatolinien in den Saal schweben oder schickt Spitzentöne mit vorbildlicher Mühelosigkeit bis unter die Konzerthausdecke. Während dem Publikum der Atem stockt, scheint Friedrich in seinen Lungen einen endlosen Vorrat an Luft zu beherbergen. Zungenfertigkeit, Lippenbeweglichkeit, Luftgeschwindigkeit, Artikulation und Muskelspannung fügen sich glücklich zusammen und lassen scheinbar anstrengungslos alle Widerstände der blechernen Materie brechen.

    Und dann ist da natürlich noch Pianistin Eriko Takezawa. Stets findet Friedrich in ihr eine Partnerin, die seine Impulse aufnimmt oder weiterdenkt. Man registriert schnell: Da sind zwei, die aufeinander hören, die buchstäblich aufeinander eingespielt sind. Und dass die Japanerin zudem mit ausgefeilten Solo-Beiträgen zu glänzen weiß, verhilft nicht nur Friedrich zu Verschnaufpausen oder dem Auditorium zu Zeit, die Gehörgänge zu entspannen und sich auf den nächsten Programmpunkt blechseliger Spielfreude einzustellen, sondern rundet das Konzert erfreulich ab.

    Doch ist es nicht nur die Palette an Trompeten-Dramaturgie, die begeistert: Was Friedrich erst so richtig sympathisch macht, sind sein uneitles Auftreten und die Prise wortlosen Humors, die mit seinem Auftritt einhergehen. Es ist bereichernd zu erleben, wie umwerfend Musik sein kann, wenn sie nicht in einem Konzertbetrieb stecken bleibt, in dem nur effekthaschendes "Höher-Weiter-Schneller" der Maßstab allen Handelns ist. Und so nimmt es denn auch nicht wunder, dass der international gefragte Solist, Orchester- und Kammermusiker gleichzeitig jenen Typ des modernen Virtuosen verkörpert, der sich nicht selbst Nabel der Welt ist, sondern einer, der seine Erfahrungen und Kenntnisse vermittelt und weitergibt: gleich am nächsten Tag als leidenschaftlicher Lehrer in einem Meisterkurs im Bläserhaus der Hochschule.

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