Lemgo (nr). "Sterben in Würde – wie geht das?" Zwischen "Sterben lassen" und aktiver Sterbehilfe liegen noch andere Wege, der Endlichkeit des Lebens zu begegnen. Der viel diskutierten, sensiblen Frage nach passiver, aktiver und indirekter Sterbehilfe sind vergangene Woche Experten und Interessierte in der Gemeinde St. Marien nachgegangen und haben sie aus medizinischer, rechtlicher und christlicher Sicht betrachtet. Die fünfte Veranstaltung der Gemeinde St. Marien zum Thema Tod warf die sehr kontrovers diskutierte Frage nach aktiver Sterbehilfe auf, die zur Zeit auch Thema im Bundestag ist. In Deutschland noch verboten, wird darüber nachgedacht, die rechtlichen Grundlagen zum Thema "aktive Sterbehilfe" zu verändern.
Pastor Matthias Altevogt der Gemeinde St. Marien, Birgit Bleibaum vom ambulanten Hospiz- und Palliativdienst Lippe, Dr. med. Michael Dietenmaier, Hausarzt aus Lemgo und Anwalt und Notar Wolfgang Stückemann bildeten das Expertenteam, das sowohl fachliche Hintergründe, als auch Erfahrungswerte darstellte.
Trotz der anhaltenden Diskussionen um aktive Sterbehilfe kommt es in der Praxis nur höchst selten zu der Bitte, einen Suizid medikamentös einzuleiten.
"In meiner Praxis hatte ich bisher noch nie einen solchen Fall", betonte Dr. med. Dietenmaier. "Klare Worte gibt es nicht. Eigentlich spiegelt sich in vielen Sätzen nur der Wunsch nach Hilfe."
Hier will die Palliativmedizin ansetzen. Bei fortgeschrittenen Erkrankungen und einer begrenzten Lebenserwartung soll die Beherrschung von Schmerzen und anderen Krankheitsbeschwerden die Lebensqualität verbessern, aber keine Verlängerung der Lebenszeit um jeden Preis erreichen.
"Aktiv in den Tod zu gehen betrifft laut Statistik nur 0,7 Prozent der Sterbefälle", betonte Birgit Bleibaum. "Das grundlegende Problem entsteht durch die Verlängerung des Lebens durch medizinische Entwicklungen. Man muss Menschen auch sterben lassen können." Vielfach verschweigen todkranke Menschen Partner und Familie ihre Sorgen und Ängste, um sie zu schützen. Sich Außenstehenden zu öffnen sei dann der erste Schritt, um gezielt Hilfe der Palliativmedizin anzunehmen. Je größer das Netzwerk der Palliativzentren sei, desto weniger käme der Wunsch nach Suizid auf. Die Kirche unterstützt sowohl passive, als auch indirekte Sterbehilfe. Der Mensch solle in Würde und mit möglichst wenig Schmerzen und Unruhe gehen. "Die Kirche lehnt aber eine aktive Hilfe zum Suizid ab", so Pastor Matthias Altevogt. "Das Leben bleibt selbstbestimmt, aber die Entscheidung über Leben und Tod liegt bei Gott. Und es entlastet, den Sterbezeitpunkt nicht selbst zu bestimmen."
So sensibel das Thema auch behandelt wird, die Meinungen – selbst über Begrifflichkeiten – gehen weit auseinander. Auch die Rechtslage ist nicht immer eindeutig. Oft sind es Nuancen in Formulierungen oder Vorgehensweisen, die über Legalität entscheiden. Wolfgang Stückemann erklärte den Sinn von Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen und betonte immer wieder die Notwenigkeit, sich in solchen Dokumenten hinreichend klar auszudrücken. Viele Gäste hatten im Anschluss an die Vorträge dann auch Rechtsfragen. Woher bekommt man Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen? Was würde sich ändern, wenn eine aktive Sterbehilfe legalisiert werden würde?
"Indirekte Sterbehilfe ist immer eine Situation zwischen Notstand und Pflicht", erklärte Dr. med. Dietenmaier. Er steht, wie viele andere auch, für eine indirekte Sterbehilfe im Sinne der Palliativmedizin, aber aktive Sterbehilfe durch die Verabreichung einer tödlichen Substanz auf Wunsch des Patienten würde er ablehnen.