BAD NENNDORF (mk). Aus Anlass des Gedenktags für die Opfer des Nationalsozialismus fand am Gymnasium Bad Nenndorf eine Gedenkveranstaltung für die Millionen Opfer der menschenverachtenden NS-Rassenideologie statt. Die Schüler der Jahrgänge 7 bis 9 besuchten dabei eine von verschiedenen Lerngruppen erstellte Ausstellung, in der sie sich - unter Anleitung eines Geschichtskurses des elften Jahrgangs - mit den Biographien von Opfern des NS-Unrechts auseinandersetzen konnten. Sie beschäftigten sich dabei mit verschiedenen Gruppen von Verfolgten und ein besonderer Schwerpunkt lag auf den Schicksalen jüdischer Bürger aus der Region.
Seit 1996 ist der 27. Januar in Deutschland der offizielle Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus, da am 27. Januar 1945 Soldaten der Roten Armee das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz befreiten, das als Symbol für die grausame Vernichtungspolitik des "Dritten Reiches" gilt. Dieser Gedenktag hat damit auch für die Schule eine herausgehobene Bedeutung, da er zum Anlass genommen werden kann, bei den Lernenden die Erinnerung an diese in der Menschheitsgeschichte einmaligen Verbrechen wach zu halten und ihnen die Notwendigkeit der Verteidigung von Grundrechten vor Augen zu führen. Aus diesen Gründen entschloss sich auch die Fachgruppe Geschichte des GBN eine Gedenkveranstaltung durchzuführen, wobei gerade den jüngeren Schülern durch die Beschäftigung mit insgesamt 40, auf Postern präsentierten Kurzbiographien der Zugang zu diesem komplexen Thema erleichtert wurde.
Die Schüler konnten hier unter anderem etwas über das Schicksal des jüdischen Nenndorfer Arztes Dr. Ernst Blumenberg erfahren, der 1937 als "Rassenschänder" verurteilt wurde und später nach Shanghai und dann weiter in die USA floh. Ebenso fanden sie Informationen über den Textilkaufmann Elias Lion, der sein Geschäft im Zuge der "Arisierung" 1938 an den Mindener Kaufmann Hagemeyer verkaufen musste, oder die Rodenberger Familie Windmüller, die in Auschwitz ermordet wurde. Andere Biographien befassten sich mit dem Boxer Johann Trollmann, der lange Zeit in Hannover lebte und als Sinto im KZ Wittenberge erschlagen wurde, oder dem aus Horst stammenden Fritz Wehde, der aufgrund seiner geistigen Behinderung gegen den Willen seiner Eltern mit nicht einmal drei Jahren in eine Lüneburger Anstalt eingewiesen wurde und dort zu Tode kam. Darüber hinaus fanden auch andere Gruppen wie Zeugen Jehovas, Homosexuelle sowie sozialistische, kirchliche und militärische Widerstandsgruppen Berücksichtigung.
Die Schüler der Klassen 7 bis 9 beantworteten während des Besuchs der Ausstellung Fragebögen und besprachen diese abschließend mit Lernenden des elften Jahrgangs. Sie zeigten sich dabei vielfach sehr berührt, vor allem von den Schicksalen der vielen Kinder und Jugendlichen. Viele bewegte aber auch die Tatsache, dass bereits eine Diagnose wie Depression oder Schizophrenie ausreichte, um in die Verfolgungsmaschinerie des "Dritten Reiches" zu geraten, oder dass auch zahlreiche Menschen aus ihrer näheren Umgebung während der Shoa getötet wurden.
Die Ausstellung wurde ergänzt durch eine Premiere: Ein Stadtrundgang mit dem Thema "Bad Nenndorf im Nationalsozialismus", der von Schülerinnen und Schüler aus dem Seminarfach "NS vor Ort" erarbeitet worden war und für einige Schüler aus Jahrgang 11 durchgeführt wurde. Der Rundgang greift eine Vielzahl von Anknüpfungspunkten auf, um anhand regionaler Aspekte zu verdeutlichen, wie der Nationalsozialismus funktionierte, welche Auswirkungen er hatte und was davon heute noch zu sehen ist. Stationen des Rundgangs sind etwa die Autobahn, die Stolpersteine in der Stadt oder auch die Stelle, an der im Dritten Reich Zwangsarbeiter untergebracht waren. Der Rundgang umfasst elf Stationen und dauert insgesamt drei Stunden. Am Abend begleitete eine Gruppe bestehend aus Lehrern und Schülern des GBN die Kranzniederlegung anlässlich des 70. Jahrestages der Befreiung am jüdischen Mahnmal in Bad Nenndorf musikalisch, während sich unter den Zuhörern auch ein Geschichtskurs aus Jahrgang 12 befand. Foto: privat