KREIS SCHAUMBURG (al). Das ganze Für und Wider einer möglichen Hochspannungsleitung durch Teile des östlichen Schaumburger Lands ist bei einer Informationsveranstaltung im Lauenauer Sägewerk beleuchtet worden. Nach der Position des Landkreises stellten zwei Vertreter des Netzbetreibers Tennet den derzeitigen Planungsstand vor. Im Rahmen einer anschließenden Podiumsdiskussion kamen auch viele Zuhörer zu Wort. Die durch ein Planungsbüro aufgezeigte Möglichkeit einer kostengünstigen Erdverkabelung ließ gegen Schluss der Veranstaltung aufhorchen. Der Landkreis will eine entsprechende gesetzliche Regelung einfordern.
Tags zuvor hatte Landrat Jörg Farr mit 16 weiteren Amtskollegen in Berlin vor Bundestagsabgeordneten aller Fraktionen gegen die bisher bekannten "Suedlink"-Absichten protestiert und einen fünf Punkte umfassenden Forderungskatalog vorgelegt. Vor allem rügten die Kommunalpolitiker die frühe Festlegung des so genannten "Mitte/West"-Korridors durch Niedersachsen und den Ausschluss anderer Trassenverläufe. Sein Eindruck nach der Rückkehr: "Die Abgeordneten nehmen unsere Bedenken sehr ernst."
Farr unterstrich im Lauenauer Sägewerk erneut seine Verärgerung über die bisherige Tennet-Informationspolitik und erklärte, dass sich der Landkreis juristischen und fachlich-technischen Sachverstand besorgt habe, um eine detaillierte Raumwiderstandsanalyse vorzulegen. Die Kritik stützt sich vor allem auf den Trassenverlauf durch dichtbesiedeltes Gebiet, auf ungeklärte gesundheitliche Fragen zu einer in dieser Dimension bislang nicht bekannten Gleichstrom-Freileitung sowie die Gefahr einer Bündelung weiterer Kapazitäten auf der Leitung, wenn diese erst einmal installiert worden ist. Für den Landkreis herrsche der Eindruck vor, dass bei Tennet "Schnelligkeit vor Sorgfalt" sowie ein "Übergewicht von Gradlinigkeit und Bündelung gegenüber Ansprüchen zum Schutz von Bürger- und Umweltbelangen" gelte.
Die Tennet-Vertreter Marius Strecker und Andrea Thiel beteuerten wiederholt, mit den Trassenplanungen "erst ganz am Anfang" zu stehen. Soeben habe erst die Fachplanung begonnen, in der alle möglichen Leitungsverläufe der Bundesnetzagentur zur Entscheidung vorgelegt würden. Auch diese könne eigene Korridore entwickeln. Strecker forderte die Bevölkerung auf, sich mit eigenen Varianten einzubringen: "Wir brauchen diese Reaktionen." Thiel betonte, dass derzeit vier "gleichrangige" Trassenkorridore geprüft würden. Einer davon verlaufe durch das Schaumburger Land, wobei aufgrund der vorhandenen Besiedlung bei Bad Nenndorf ein Stück erdverkabelt werden müsse.
In der Podiumsdiskussion, die vom Journalisten Guido Scholl sachkundig und schlagfertig moderiert wurde, tauschten die Tennet-Vertreter mit dem Tennet-Kritiker Karsten Runge und Landrat Farr die Argumente aus. Runge machte seine Ablehnung an Fehlern im bisherigen Planungsverlauf und bei den gesundheitlichen Risiken ("Ionisierungen der Luft") deutlich. Farr beharrte auf der Rücknahme der Tennet-Anträge zugunsten einer neuen umfassenden Prüfung: "Hier steht dichtbesiedelter Raum contra leere Gebiete", verwies er auf bevölkerungsarme Flächen im Osten Deutschlands.
Eine Wende nahm die Diskussion, als Ingo Rennert von der Müdener "Infranetz AG" zu Wort kam und eine komplette Erdkabel-Lösung vorschlug, die nach seiner Berechnung bei Verlegung und späterer Wartung preiswerter sei als eine Überlandleitung. Die Trasse könne dem Verlauf der Autobahn 7 folgen, über die auch der schwerlastige Kabeltransport möglich wäre.
Strecker erwiderte, eine Vollverkabelung gebe die jetzige Gesetzlage nicht her, da diese nur eine Freileitung vorsehe. "Dann müssen die Gesetze geändert werden", verlangte Runge. Farr griff das Stichwort auf: Schon im Februar sei genau dies ein Thema bei einer "Kabelkonferenz" der 17 betroffenen Landkreise.
Trotz gelegentlicher Unruhe im Saal verlief der Abend in weitgehend sachlicher Atmosphäre. Am Ende gab es sogar Applaus für die beiden Tennet-Vertreter. Landrat Farr hatte ihnen zuvor einen "schweren Stand" bescheinigt: "Aber die beiden heißen nicht Tennet, sondern haben hier nur die Aufgabe, ihr Unternehmens zu vertreten." Foto: al