WUNSTORF (tau). Zeit und Raum sind relativ, wenn man der Theorie Einsteins folgt. Aber nicht nur der Physiker, sondern auch Philosophen und Schriftsteller dachten über Augenblick und Ewigkeit nach. Was ist nun die Zeit, fragte sich etwa der Dichter Adalbert Stifter an einem Silvesterabend und kam zu dem Ergebnis: "Im Vergnügen ist sie kurz, im Leiden in ungeduldiger Erwartung unendlich lang".
Einen Einblick in diese Gedanken zur Zeit gaben zu Beginn des Jahres Eckhard Gruen und Alfred Schröcker bei einer Lesung in der Abtei. Das interessierte Publikum hörte Nachdenkliches und Amüsantes über die Zeit. Zum Beispiel die kurzen Verse Christian Morgensterns über die Korfsche und Palmströms Uhr. Bei ersterer, die mit zwei Zeigerpaaren ausgestattet, gleichzeitig vor und rückwärts laufe, hebe sich die Zeit quasi von selber auf während die zweite Uhr keine Prinzipien reite und ein Werk mit Herz gewesen sei.
Erich Kästner meinte unter dem Eindruck der 1920er Jahre: "Die Zeit fährt Auto. Doch kein Mensch könne lenken. Fabriken wachsen. Und Fabriken sterben. Was gestern war, geht heute schon in Scherben. Der Globus dreht sich. Doch man sieht es nicht." Die Zeit laufe wie eh und je. So scheint es aber nur. Denn sie lief nicht immer so. War es doch die Erfindung der Eisenbahn, die zur noch heute gültigen Standardzeit zwang. Ohne sie kein funktionierender Fahrplan. Vorher hatte jeder Ort seine eigene Zeit. "Diese buntscheckige Zeit störte nicht, solange der Verkehr zwischen den Orten so langsam vor sich ging, dass die zeitliche Verschiebung darin gleichsam versickerte", schreibt Wolfgang Schivelbusch in seinem Buch Geschichte der Eisenbahnreise – Zur Industrialisierung von Raum und Zeit im 19. Jahrhundert. Wer etwas über Zeit erfahren will, muss es lesen. Foto: tau