LOCCUM (jan). Ein Thema hat die Ansprachen von Landesbischof und Ministerpräsident beim Neujahrsempfang der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers im Kloster Loccum bestimmt: zu der Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland und den aktuellen Pegida-Demonstrationen haben beide Stellung bezogen.
Tradition hat dieser Neujahrsempfang. Bereits zum 65. Mal hat die Landeskirche dazu die ‚Notabeln des Landes’ – Gestalter aus Kirche, Politik, Wirtschaft und anderen Bereichen, die das öffentliche Leben direkt betreffen, eingeladen. Tradition ist es ebenfalls, dass sowohl der Landesbischof als auch der Ministerpräsident sich erheben, um auf das vergangene Jahr zurückzublicken und einen Ausblick auf das begonnene Jahr zu wagen. Selten jedoch haben die beiden Redner sich derart auf ein einzelnes Thema konzentriert wie in diesem Jahr. Nahezu ausschließlich nahmen sowohl Landesbischof Ralf Meister als auch Ministerpräsident Stephan Weil Bezug auf die Entwicklungen in der Asylpolitik.
Jesus, der schon kurz nach seiner Geburt ein Flüchtling war, führte Weil an, um zur Jahreslosung überzuleiten, die in 2015 lautet: "Nehmet einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob." Darauf solle der Fokus gerichtet werden, meinte der Ministerpräsident – Willkommenskultur zu leben. Die Ängste und Befürchtungen, die angesichts der steigenden Anzahl von Flüchtlingen wüchsen, müssten durchaus ernst genommen und darauf eingegangen werden, solange sie nachvollziehbar seien. Gleichzeitig sagte er aber auch, dass "alle Freunde des Grundgesetzes sehr klar und konsequent ihre Ablehnung zeigen" müssten, soweit es sich dabei um dumpfe Ausländerfeindlichkeit handle.
Im Bezug auf die Flüchtlingspolitik forderte Weil, dass Menschen in Not Zuflucht und Sicherheit gegeben werden müsse, andere aber respektvoll und konsequent auch veranlasst werden müssten, Deutschland zu verlassen. Die Bürger müssten sich darauf verlassen können, dass das Grundrecht auf Asyl am Ende denen zu Gute komme, für die es gemacht worden sei. Diejenigen unter den Flüchtlingen, bei denen zu erwarten sei, dass sie lange Zeit in Deutschland bleiben würden – "Wann können wir denn beispielsweise ernsthaft erwarten, dass in Syrien und im Irak oder in Afghanistan wieder Sicherheit herrschen?" – solle eine konsequentere Integration in das Gemeinwesen ermöglicht werden. Weltoffenheit und Mitmenschlichkeit, Konsequenz und Klarheit führte er als gute Orientierungspunkte für den Umgang mit dem schwierigen Thema Flucht und Asyl an.
Medienkritisch müsse hinterfragt werden, ob der Informationsbedarf zu dem "diffusen Phänomen" der Pegida-Demonstrationen nicht ausreichend gedeckt, die Debatten nicht ausreichend geführt worden seien, meinte Landesbischof Ralf Meister. Nur ein Bruchteil der Nachrichten habe sich denen gewidmet, die tagtäglich dem Gemeinsinn der Gesellschaft dienten. "Fest steht: Hunderttausende haben keine Zeit auf die Straße zu gehen, sie helfen wo Not ist in unserem Land. Zehntausende halten keine Banner, sondern die Hand, die Geleit braucht. Sie rufen nicht "Wir sind das Volk", sondern helfen Menschen, die deutsche Sprache zu lernen und sich unserer Kultur zu widmen", sagte Meister. Es gebe viel Grund zur Hoffnung, eine Gesellschaft des Sich-Kennens und Sich-Kümmerns sei Grund dazu. Die jetzt zu erlebende Irritation in der Gesellschaft solle nicht dramatischer gemacht werden, als sie sei.
Unabhängig davon sagte Meister am Rande der Veranstaltung, dass er beim Gottesdienst am kommenden Montag, 12. Januar, in der hannoverschen Marktkirche dabei sein werde. Der Gottesdienst ist der Auftakt der ersten Gegendemonstration gegen den hannoverschen Ableger der Pegida, die "Hagida" – "Hannoveraner gegen die Islamisierung des Abendlandes". Auch aus dem Landeskabinett um Stephan Weil wollen einige Mitglieder dabei sein.
Was den Neujahrsempfang zum Epiphaniastag – verlässlich wird dieser Empfang am 6 Januar gefeiert – neben dem ernsten Thema prägte war eine weitere Tradition, die für Meister die Besonderheit des Empfanges ausmacht: die Bescheidenheit, mit der er nach wie vor gefeiert werde. Kein Champagner, sondern Butterkuchen auf dem Tisch – den der Ministerpräsident ausdrücklich lobte. Den Bäckermeister, der mit dem Backen des traditionellen Gebäcks bereits am Abend zuvor begonnen hatte, hätte es gefreut zu sehen, wie schnell die Teller sich leerten und selbst die "Anstandsstücke" nicht liegen blieben.Foto: jan