Lügde (afk). Für die Lügder ist rechtzeitig zum Weihnachtsfest ein Wunsch in Erfüllung gegangen. Das Spielwarengeschäft am Markt und gleichzeitig auch Postfiliale bleibt erhalten und wird zum Jahresstart von Tobias Jahn weiter geführt. Damit fällt sicherlich auch den Vertretern der Stadt und der Werbegemeinschaft ein Stein vom Herzen. In den vergangenen Wochen hatte sich die Nachricht, dass Monika Rinsche aus Altersgründen ihr Geschäft zum Jahresende schließen wird, wie ein Lauffeuer verbreitet.
"Wo geben wir dann Briefe und Pakete auf, wo können wir unsere Geldgeschäfte tätigen? Und was geschieht mit dem zentral gelegenen Geschäft? Gibt es einen weiteren Leerstand in der Stadt? Immer wenn ein Einzelhandelsgeschäft seine Tore schließt, dann droht kurzfristig zunächst ein Vakuum und langfristig könnte ein Leerstand zu einem ernsthaften Problem führen. Zumindest der Attraktivität einer Kleinstadt schaden solche Entwicklungen auf Dauer gewaltig. Und leider musste die Emmerstadt in der zurückliegenden Zeit schon einige solcher Schließungen von Familienbetrieben als bittere Pillen schlucken.
Im Spielwarengeschäft geht es aber nun weiter. Erhalten bleibt nicht nur die Abteilung Spielwaren sondern auch die seit Mai 1999 dort beheimatete Postfiliale. Tobias Jahn (24) wird die Geschäfte weiterführen. Der gelernte Einzelhandelskaufmann findet "große Schuhe" vor, in die er treten möchte. Monika Rinsche hat nach dem Umbau des elterlichen Geschäftes (viele Jahre lang betrieben die Eltern dort ein Haushaltswarengeschäft) im Jahr 1983 voll auf das Sortiment Spielwaren gesetzt und sich damit in Lügde und auch darüber hinaus einen Namen gemacht. Das Kaufverhalten habe sich in den zurückliegenden Jahren grundsätzlich geändert. "Geschenke gab es doch früher nur zum Geburtstag und natürlich zu Weihnachten. Dann hatten wir Hochbetrieb und mein Ehemann hat nicht selten Auslieferungen auch in die entlegenen Ortschaften ausgeführt. Das gehörte zum Service", erinnert sich Monika Rinsche zurückblickend. Doch durch das Internet hat sich eine andere Kaufkultur etabliert. "Es gibt Kunden, die fotografieren die Geschenkverpackungen, notieren sich den Preis und bestellen dann häufig günstiger im Internet. Das ist bitter und lässt den Einzelhändler schon einmal verzweifeln. Aber trotz unserem Faustpfand der guten und kostenlosen Beratung sind wir dagegen machtlos", sieht Monika Rinsche wenig Möglichkeiten.
Tobias Jahn brauchte nach eigener Aussage schon ein wenig Bedenkzeit, muss doch ein Schritt in die Selbstständigkeit wohl durchdacht sein. Für seine Wahl spricht zunächst einmal die fachliche Beratung durch seinen Vater als Steuerberater und dann gibt es da noch ein weiteres nicht zu unterschätzendes Faustpfand: Tobias ist ein Lügder Junge, man kennt ihn und er kennt "seine" Lügder. Zusätzlich werden ab Ende Januar auch Schreibwaren in das Programm aufgenommen. "Wir wollen die vor einem Jahr durch die Schließung eines Geschäftes entstandene Marktlücke in unserer Stadt wieder schließen", glaubt Jahn an den Erfolg. Die örtliche Lage in der Vorderen Straße gegenüber dem Rathaus, fernab vom Durchgangsverkehr und mit ausreichend Parkflächen findet der neue Betreiber wichtig.
In die umfangreiche Materie der Post arbeitet sich Tobias Jahn so langsam hinein, wird unterstützt von Monika Rinsche und Ramona Hartmann, die auch künftig an seiner Seite eine wichtige Stütze sein wird. 60 Schließfächer sind belegt, in der kleinen Filiale gibt man sich die Türklinke in die Hand. Zu einem persönlichen Gespräch hat der neue Chef in diesen Tagen keine Zeit. Briefe, Päckchen und Pakete werden eilig abgegeben, gleich kommt der Paketwagen, dann muss alles fertig sein.
Es ist ein Minutengeschäft, schnell ist der Laden wieder leer, aber es kommen immer wieder neue. So einige Spielwaren werden wohl auch das neue Jahr begrüßen, warten trotz kräftiger Rabatte auf einen neuen Besitzer. Den Ken gibt es zum Sonderpreis, das Barbie-Doppelbett ist für 35 Euro zu haben. Playmobil und Lego gehen immer, die coolen Flitzer der Carrera-Bahn sind für fünf Euro zu bekommen. Inline-Skater, Schlitten und ein paar Ravensburger Spiele – viel ist es nicht mehr. "Die werden wir sicher in den Tagen nach Weihnachten noch verkaufen. Und wenn nicht – der nächste Geburtstag steht doch auch bald vor der Tür", sieht Jahn keine Probleme. Für Monika Rinsche geht nach 49,5 Jahren Berufswelt eine Ära zu Ende. Aber ein neuer Lebensabschnitt fängt an. "Gemeinsam haben wir in verschiedenen Berufen insgesamt 99,5 Jahre gearbeitet. Jetzt haben wir uns den Ruhestand wohl verdient. Und schließlich wollten wir es auch so", schaut Harald Rinsche auf die Uhr. Er muss noch schnell in das nahe gelegene Rathaus, er muss noch das Gewerbe seiner Ehefrau abmelden. Und dann ist wirklich Schluss.