LOCCUM (jan). Mehr als erwartet und in wesentlich besserem Zustand – das ist die einhellige Meinung zu den Grabungen, die auf dem Gelände des Klosters Loccum durchgeführt wurden. Vor der Ausschreibung eines Bibliothek-Neubaus sind die Landeskirche Hannovers und das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege auf Spurensuche nach früheren Bebauungen gegangen.
"Wir wollen die alten Bautraditionen der Zisterzienser aufgreifen." Für Werner Lemke, Kirchenbaudirektor der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, steht das Ziel fest. Der Neubau der Bibliothek, der bis 2017 in dem Gartenstück neben der jetzigen Bibliothek entstehen soll, muss das aufgreifen, was die Zisterzienser-Mönche in früheren Jahrhunderten dort schon einmal stehen hatten. Kenntnisse über solche Bebauungen in dem 1163 gegründeten Kloster versuchen Landeskirche und Denkmalschutz derzeit durch Grabungen zu bekommen. Einige alte Dokumente sind zwar vorhanden, auch vorhergehende Untersuchungen gab es. Nun sollte aber noch mehr zu Tage gefördert werden. Hier und da ein Mauerrest, rudimentäre Fundamente, einige alte Scherben – mit diesen Erwartungen sind alle an die Grabungen herangegangen, die in der Mitte des Jahres 2014 starteten. Je weiter die Grabungen jedoch fortschritten, desto mehr trat zu Tage. Was momentan in Priors Garten offen gelegt ist – und über den Winter gesichert werden soll – ist jedoch einiges mehr als das.
Ein Beispiel ist eine gepflasterte Rampe, die deutlich erkennbar ist. An anderer Stelle ragt ein Gewölbe aus dem Boden – darunter befindet sich ein Teil des ausgeklügelten Kanalsystems, das die Zisterzienser als Meister der Wasserwirtschaft ausweist. Das Fundament einer Innenwand mit einer Säulenbasis ist sichtbar, eine Türöffnung erkennbar. An manchen Stellen sind Steine aufgehäuft, die wirken, als ob sie aufeinander geschüttet wurden, an anderen Stellen sind sie ordentlich ineinander gefügt. Viele Rückschlüsse lassen sich aus den alten Steinen ziehen.
Worauf Grabungstechniker Klaus Harenberg bei einem Ortstermin besonders hinweist, sind neben den Resten der alten Gebäude auch die kleinen Funde im Boden. Belächelt wird ein Ohrlöffel in der Runde. Was heute ein weiches Wattestäbchen ist, wurde vor Jahrhunderten aus Metall gegossen und zur Reinigung verwendet. Das kleine Gerät sagt allerdings nicht so viel aus, wie die Fensterscherben, die ebenfalls herumgereicht werden. Die floralen Muster, die darauf zu sehen sind, ähneln den Bemalungen, die auf den Fenstern des Refektoriums noch heute zu sehen sind. Das, sagt Harenberg, seien Funde aus dem südlichen Bereich der Grabung. Und das ist einer der Punkte, über die sich Landeskirche und Denkmalschutz weiter verständigen.
Die Frage steht nämlich im Raum, wie mit diesen Funden weiter umgegangen werden soll. Schnell sind sich alle einig, dass die Ausschreibung für den Architekten-Wettbewerb ein wenig länger warten muss als ursprünglich angedacht. Nach dem Winter soll noch einmal gegraben werden, dann an der Stelle, an der einst das Novizenhaus stand und wo die Glasscherben bereits gefunden wurden. Die zusammen gefassten Ergebnisse werden danach den Architekten vorgestellt – zusammen mit den Vorgaben, inwieweit mit dem Neubau in das eingegriffen werden darf, was jetzt aus der Geschichte des Klosters zutage gefördert wurde. An manchen Stellen wird zerstört werden müssen, was jetzt gefunden wurde. Das lässt sich nicht verhindern, soll aber so gering wie möglich gehalten werden. Umso wichtiger ist allen Beteiligten die Dokumentation der Funde auf der einen Seite und mit dem Neubau die Annäherung an die ursprünglich von den Zisterziensern errichteten Klosterbauten. Foto: jan