1. Das Erinnern ist nie zu Ende

    Stadt Oerlinghausen ehrt Opfer des Nationalsozialismus

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    Oerlinghausen (kd). Mit einem "Erinnerungsbuch" im Internet (www.oerlinghausen.de) gedenkt die Stadt Oerlinghausen jener Bürger, die während des Nationalsozialismus verfolgt und ermordet wurden. Die meisten waren jüdischen Glaubens. In jahrelanger Arbeit hat der Historiker Jürgen Hartmann die Angaben zu den biographischen Skizzen recherchiert. Bürgermeisterin Dr. Ursula Herbort sagte, das "Erinnerungsbuch" sei eine würdige Form, um den Opfern ein Gesicht zu geben.

    Seit mehr als 25 Jahren beschäftigt sich der Historiker mit der Regionalgeschichte und hat bereits etliche Publikationen verfasst. 2012 erhielt er den Auftrag von der Stadt Oerlinghausen, nachdem der Rat auf "Stolpersteine" vor den früheren Wohnhäusern der Opfer verzichtet hatte. Hartmann rekonstruierte die Biographien von Menschen, die zwischen 1933 und 1945 in Oerlinghausen wohnten und vom NS-Staat verfolgt und ermordet wurden.

    Er besuchte nicht nur Archive, Bibliotheken und Standesämter, korrespondierte mit Nachfahren und recherchierte im Internet. Er spürte auch entfernte Verwandte der Opfer auf, die ihm erstmals Informationen und Fotos anvertrauten. "Die Arbeit hat mich äußerst beschäftigt und ist mir im Laufe der Zeit zu einer Herzensangelegenheit geworden", bekannte Hartmann.

    "Nicht eine der mitunter alteingesessenen Oerlinghauser Familien jüdischen Glaubens hatte keine Opfer zu verzeichnen", fand der Historiker heraus. An der Hauptstraße 78 führten Irma und Manfred Herz ein Textilgeschäft. Sie waren eine der beiden letzten Familien, die 1938 noch zur Synagogengemeinde Oerlinghausen gehörten. Als Vorsteher verkaufte Manfred Herz die Synagoge im Juli 1938. Am 10. November 1938 verwüsteten SA-Männer den Laden, Manfred Herz wurde festgenommen und in das Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar gebracht.

    14 Tage später wurde er entlassen. Die geplante Ausreise nach Uruguay wurde jedoch verhindert, in Hamburg kam das Ehepaar im April 1939 wegen angeblichen Devisenvergehens in Haft. Der Vorwurf erwies sich als haltlos, die Lage der Familie verschlechterte sich jedoch stetig.

    Eine Deportationsliste belegt, dass Irma und Manfred Herz am 18. November 1941 in das Ghetto Minsk transportiert wurden. In der weißrussischen Stadt wurden Tausende von Juden erschossen, in "Gaslastwagen" erstickt oder kamen durch Hunger und Krankheit zu Tode. Das genaue Schicksal der Familie Herz ist nicht bekannt, aber nur sehr wenige Menschen haben überlebt. Wie in anderen ungeklärten Fällen wurden Irma und Manfred Herz später offiziell für tot erklärt.

    Der Historiker Hartmann erinnert auch an politisch Verfolgte wie Eduard Berke, der wegen Abhörens von ausländischen Radiosendern 1944 hingerichtet wurde.

    Hartmann hält seine Arbeit keineswegs für abgeschlossen. Er hofft, dass er aus der Bevölkerung weitere Hinweise, Dokumente oder Fotos erhält (erinnerungsbuch@oerlinghausen.de).

    Bürgermeisterin Dr. Ursula Herbort dankte dem Autor für seine umfangreiche wissenschaftliche Arbeit. "Damit ehrt die Stadt ihre früheren Mitbürger. So können wir den Menschen irgendwie Heimat zurückgeben", sagte sie. "Denn das Erinnern ist nie zu Ende."

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