WIEDENSAHL (em). Drei Hocker, drei Mikrofone und (mindestens) 18 Instrumente quetschen sich auf der kleinen Bühne. Doch die Musik kommt zunächst von hinten. Mit einem Rap, der die weltmeisterliche Lautmalerei des Wörtererfinders gekonnt in Szene setzt, bewegen sich die Musiker durchs Auditorium: "Rickeracke schwuppdiwupp" schallt es begleitet von weiteren Instrumenten über die Köpfe des erwartungsvollen Auditoriums auf der restlos gefüllten Diele.
Mit seinem Programm "Eins, zwei: Drei im Sauseschritt" ist das Trio von Liederjan dort angekommen, wo alles begann: im Wiedensahler Wilhelm-Busch-Geburtshaus. Es steigert sich:
Die Musik wird lauter, die Texte verständlicher. Der Aha-Effekt bei den Zuhörern bleibt nicht aus. Stakkatohaft aneinander gereiht folgen die Bonmots aus der Feder des Hausherrn, die sich mit den Genüssen des täglichen Lebens auseinandersetzen.
Die Sorgen und der Likör, das Bier und die Musensöhne, der Rotwein und die alten Knaben, der Tabak und der Rum. Weiter werden bekannte Zeilen durchgequirlt. Max trifft die fromme Helene und Moritz den Diogenes in der Tonne.
Sofort ist das Eis gebrochen, die Distanz zwischen Künstler und Zuhörer/Zuschauer vernichtet. Alle zusammen erleben in den kommenden 160 Minuten (mit Pause) einen vergnüglichen Abend, der so gar nicht in eine Schublade passen will. "Wir haben viele Gedichte von Wilhelm Busch neu vertont", kommt es von er Rampe. "Fink und Frosch" wird angekündigt. Die Parabel vom tiefen Sturz, der dem droht, der zu hoch hinaus will. Nachdenklichkeit. Nur ganz kurz. Dann wird es kabarettistisch: "Fink war Trainer beim HSV", sinniert Mittelmann Jörg Ermisch und hat wohl die Bundesliga-Tabelle vor Augen. "Frosch hat mal bei St. Pauli gespielt", wirft Michael Lempelius von Linksaußen ein. Er hat das Zweitliga-Klassement von hinten gelesen. Dann aus dem Publikum "Klopp". Es gibt Leidensgenossen. Alles ist wieder gut für die Hamburger Musikanten, bei denen sich Hanne Balzer beim Thema Fußball vornahm zurück gehalten hat und nun kräftig in ihre Tuba bläst: "Pinkepink, Pinkepink".
In diesem Wechselspiel von Musik, trefflichen und treffenden Spitzen gegen Kochshows und Kachelmänner und "nicht zuletzt der Fülle von wundervollen Texten von Wilhelm Busch" geht es weiter durchs ein Programm, das einfach nur Spaß macht, lustvoll unterhält. Die Noten mal im unverkennbaren Folksong-Mantel aus den Gründertagen der "Liederjans" in den frühen Siebzigern bei "Wankelmut" ("Ein volles Glas, ein leeres Glas / Mag ich nicht lange leiden") oder im Kinderlied-Duktus mit immer neuen Instrumenten, die sie aus irgendwelchen Taschen ziehen, für "Ständchen" aus "Julchen".
Dazu der dankbare Hinweis von der Bühne, der erste Auftritt vor gut drei Jahren in Wiedensahl und der Gang durchs Geburtshaus seien maßgeblich für die Realisierung dieses Programm gewesen. Damals habe es "eine Begegnung der dritten Art" mit dem in seiner Zeit "modernen Superstar" Busch gegeben. Sie seinen "eingetaucht in dessen Kosmos". Eingestreut ins ganze ein musikalischer Lebenslauf des Malers und Zeichners, Dichters und Denkers und beim Einbiegen aus die Zielgerade die eigenwillige Interpretation von Passagen der romatischen Oper "Der Vetter zu Besuch", für die Georg Kremplsetzer die Musik und Busch zu seiner "Jung-Münchner"-Zeit das Libretto schrieb. Noch einmal viel Applaus und Schluss!
Nein, noch lange nicht. Als Zugabe zunächst das von Joana (die Älteren erinnern sich sicher noch) in Noten gesetzte melancholische Gedicht "Vertraut": "Und wird auch mal der Himmel grauer; / Wer voll Vertraun die Welt besieht, / Den freut es, wenn ein Regenschauer / Mit Sturm und Blitz vorüberzieht". Als musikalischer Höhepunkt dann der Instrumental-Titel "Music for a found harmonium", irische Folkmusic vom feinsten, die aus der Zusammenarbeit von Liederjan mit "Iontach" entstanden ist. Da musste man einfach mitklatschen. Auf der Bühne waren inzwischen mindestens zweimal 18 Instrumente eingesetzt worden. Und ein paar Bierflaschen. Die tanzen munter mit, als sich das Tempo zum Finale furioso steigert. Foto: privat