Der Antrag listet unter anderem Alternativen zum Verlauf der Vorzugstrasse "Mitte/West" auf. 112 Vorschläge von Bevölkerung und Land seien geprüft, 91 in den Antrag aufgenommen worden. In Schaumburg sieht Tennet nach wie vor eine Alternativroute für die Stromtrasse vor, die durch die Samtgemeinden Sachsenhagen, Nenndorf, Rodenberg und weiter durch das Sünteltal führt. Der Verlauf sei eine "ernsthaft in Betracht kommende Alternative" zum ursprünglichen Verlauf, da der Großraum Hannover auf diese Weise umgangen werden könnte; Schaumburg ist schlicht nicht so dicht besiedelt wie die hannoversche Peripherie.
Der Landkreis Schaumburg fühlt sich von den Plänen Tennts überrumpelt. "Am 6. Oktober haben wir in Hannover erstmals von der Variante erfahren. So geht es nicht", sagte Pressesprecher Klaus Heimann gegenüber dem Schaumburger Wochenblatt. "Es kann nicht sein, dass einfach der Weg des geringsten Widerstands gewählt wird und wir überrollt werden." Nun wolle man in enger Abstimmung mit dem Kreis Nienburg eine Raumwiderstandsanalyse durchführen, wie es die südniedersächsischen Landkreise getan haben.
Die Diskussion über "Suedlink" nimmt mit dem neuen Antrag wieder an Fahrt auf. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion Grant Hendrik Tonne verlangte Klarheit von Netzbetreiber Tennet, "um nicht halb Niedersachsen in Unruhe zu versetzen": "Damit die neuen Ergebnisse nicht noch mehr für Verwirrung sorgen, muss Tennet transparent arbeiten und die Interessen der Bürger ernst nehmen." Der SPD-Landtagsabgeordnete Karsten Becker bekräftigte derweil: "Die geplante Suedlink-Trasse ist der Schlüssel für die gewollte Energiewende." Zugleich räumte er aber ein, dass davon "nicht ganze Orte eingezäunt" werden dürfen. Bei dichter Bebauung könnten nur Erdkabel für Akzeptanz in der Bevölkerung sorgen. In
diese Kerbe schlug auch Karsten Dohmeyer, Fraktionssprecher der Grünen in der Samtgemeinde Rodenberg. Seine Partei stellte in der vergangenen Woche einen Antrag zur Verabschiedung einer "Resolution Erdkabel". "Die übergeordnete Politik soll ein deutliches Signal aus unserem Tal erhalten", heißt es in dem Schreiben, "wir sind für die Energiewende. Als modernes Land sollten wir es uns leisten, unseren Strom nachhaltig mit möglichst wenig Eingriff in die Umwelt transportieren zu können." Nach der künftigen Beeinträchtigungen durch "notwendige, neue Windräder" sei eine zusätzliche "Strommastenlandschaft" eine "vermeidbare negative Veränderung der Umwelt." Schließlich solle Schaumburg das beliebte Ausflugsziel bleiben, das es heute ist.
Der heimische CDU-Bundestagsabgeordnete Maik Beermann führte in Berlin zuletzt ein Gespräch mit Lex Hartman, Mitglied der Geschäftsführung des deutschen Tennet-Ablegers. "Dabei wurde deutlich, dass Tennet den Bedenken auf den Grund geht", so Beermann. Sowohl Vorschläge für weitere Alternativrouten als auch Hinweise auf Naturschutzgebiete oder Ähnliches würden in die weitere Planung einfließen, die öffentliche Akzeptanz habe für das Unternehmen höchste Priorität. Zudem vereinbarten die beiden eine Informationsveranstaltung in den Kreisen Nienburg/Schaumburg.
Bevor die Bundesnetzagentur sich mit dem Antrag von Tennet endgültig auseinandersetzt, findet im Bundeswirtschaftsministerium am heutigen Mittwoch ein Gespräch statt, an dem unter anderem die Landräte aus Hameln-Pyrmont, Höxter, Holzminden und Lippe teilnehmen. Ob Jörg Farr für Schaumburg anwesend sein wird, ist noch offen. Nachdem der Antrag bei der Bundesnetzagentur eingegangen ist, beginnt die Bundesfachplanung mit dem formellen Planungs- und Genehmigungsverfahren. Im Anschluss daran werden die Trassenkorridorvorschläge auf einen konkreten Trassenverlauf eingegrenzt.
Das Projekt "Suedlink" gilt als zentrales Element und ist eines der größten Infrastrukturprojekte der Energiewende. Die Stromtrasse soll Deutschland auf einer Länge von 800 Kilometern durchziehen, "überwiegend als Freileitung", einige Teilabschnitte unter bestimmten rechtlichen Voraussetzungen aber auch mit einem Erdkabel. Dies ist möglich, sofern noch keine Hochspannungsleitung besteht, die Leitung näher als 400 Meter an einem Wohngebiet vorbeiführen würde und es "technisch und wirtschaftlich effizient" ist.
Als ersten Schritt in der Planung hatte Tennet Vorschläge für den Verlauf der Trassenkorridore erarbeitet. Diese 83 "Grobkorridore" wurden wie bei einem großen Puzzle zu insgesamt vier großen Trassenkorridoren zusammengefasst, die vom nördlichen Startpunkt in Wilster (Schleswig-Holstein) nach Grafenrheinfeld (Bayern) führen.
Auf Grundlage von Fragen des Umweltschutzes, des Einhaltens des Mindestabstands zu Siedlungs- oder Erholungsgebieten, Kliniken, Pflegeheimen und Schulen und anderem wurde der Korridor "Mitte/West", der östlich an Hannover vorbeiführt und dann nach (Süd-)Westen abknickt, als "die mit Abstand beste Lösung" bezeichnet. Aufgrund von Beschwerden der Anwohner wurde eine Alternativfindung nötig.
Unter suedlink.tennet.eu ist der gesamte Antrag abrufbar. Mehr auf Seite 22.Foto: al