1. Erstaunliches aus der "Afrika-Kiste"

    Karl-Heinz Recklebe erzählte über seine Erfahrungen in South Horr

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    Lügde (afk). South Horr – das heißt übersetzt "Südliches Paradies". Und es mutet in der Tat zunächst paradiesisch an, wenn man von Nairobi kommend den ersten Blick auf das in einem Tal gelegene South Horr wirft, in der Ferne die in der gleißenden Sonne bläulich schimmernden Bergketten, im Vordergrund grünes Busch- und Weideland. Es ist das Stammesgebiet der Samburu, einer der ungefähr vierzig Ethnien in Kenia. Und in eben diesem idyllischen Tal hat sich in den letzten 25 Jahren eine beeindruckende Bildungsoase entwickelt.

    Als "Architekten" und nach wie vor Motivatoren für das Wachsen und Gedeihen dieser Bildungslandschaft sind Sigrid und Karl-Heinz Recklebe aus Bad Pyrmont zu nennen. "Als wir 1983 anlässlich einer Urlaubsreise erstmals mit der kleinen Schule für Kinder der Samburus konfrontiert wurden und uns später von dort wegen einer drohenden Hungersnot ein Hilfegesuch erreichte, erteilten wir uns selbst den Auftrag, den Kindern nicht nur leibliche Speise, sondern auch geistige Nahrung, also Bildung, zukommen zu lassen. Wir erkannten rasch, dass sich die Benachteiligungen, die die Samburus auf Grund ihrer Zugehörigkeit zu einem bedrohten Volk erfuhren und unter denen auch einzelne ihrer gesellschaftlichen Gruppen wegen der soziologischen und kulturellen Hintergründe litten, nur durch Bildung verändert werden können", begründete Karl-Heinz Recklebe das Engagement für das Bildungsprojekt in South Horr bei seinem Besuch im Awo-Seniorentreff in Lügde. "Dazu muss man wissen, wer die Samburus sind, wie und unter welchen Umständen sie ihren Lebensunterhalt sichern müssen, wie ihr Gesellschaftssystem aufgebaut ist und welche Kultur sie geprägt hat", erzählte Recklebe. Und dann griff er in seine große "Afrikakiste" und entnahm ihr unter den staunenden Augen der Senioren einen seltsamen Gegenstand nach dem anderen.

    Einen geradezu plastischen Eindruck, sichtbar, fühlbar und riechbar, gewannen die Senioren von den Lebensumständen eines halbnomadischen Volkes im Norden Kenias, als Recklebe tägliche Gebrauchsgegenstände vorführte und mit reichlich Bildmaterial das Alltagsleben und die Höhepunkte im Leben eines Samburu, nämlich die Feste zur Geburt, zur Aufnahme der Kinder in die Altersgemeinschaft und zur Hochzeit, vorstellte.

    Der zur Schau gestellte Prunk bei diesen Festen, die Farbigkeit der Festtagskleidung, der aufwändige Schmuck und die lebensfrohen Tänze – all dies täuscht jedoch nicht über die ansonsten kargen und immer noch lebensverkürzenden Umweltbedingungen hinweg. "In den traditionellen, kraalartigen, wabenförmigen Lehm-Dung-Hütten, in denen kein Erwachsener aufrecht stehen kann und in denen die Luft wegen der offenen Holzfeuer verräuchert und kaum gesundheitsfördernd ist, könnte ich auch nicht leben", bekannte Recklebe auf den Einwand eines Zuhörers hin. Das rauchende Feuer sei schon begründet, vertreibe es doch die Insekten.

    In die Lebensweise und Kultur wolle man nicht rigoros eingreifen, was er aber als besonders veränderungswürdig erachte, sei die Benachteiligung einzelner Gruppen in der Samburugesellschaft, besonders die der jungen Mädchen und Frauen, bekannte Recklebe und nannte ein Beispiel. "Initiationsriten sind bei vielen Völkern und Religionsgemeinschaften bekannt und weltweit toleriert, so zum Beispiel die Beschneidung der Jungen.

    Die Beschneidung der Mädchen, gemeint ist hier die Genitalverstümmelung, ist dagegen ein furchtbarer Ritus und bringt unendliches Leid über die Mädchen und jungen Frauen", resümierte Recklebe. Da müsse sich in den Köpfen etwas ändern und Aufklärung auch im Hinblick auf die gesundheitlichen Risiken betrieben werden. Und deshalb setzten er und seine Frau sich als nächstes Ziel für eine Grundbildung der Mädchen und für eine Verbesserung ihrer Bildungschancen ein.

    Für die Jungen wurde in South Horr bisher viel erreicht. Er sei nun froh, dass mit der 2011 mit Bad Pyrmonter und Lügder Hilfe begründeten Nyiro Girls Secondary School jetzt auch für die Mädchen ein erweitertes Schulangebot vorgehalten werde. Tief beeindruckt von dem Einblick in eine gänzlich andere Lebenswelt und Kultur konnten ihm die Senioren nur zustimmen. "Die Awo ist ein Wohlfahrtsverband und als solcher verfolgen wir gemeinsame Ziele, nämlich Benachteiligte zu unterstützen und uns für Chancengerechtigkeit stark zu machen. Auch wir setzen dabei auf Bildung," stellte Franz Josef Berg, Vorsitzender der Awo Lügde, fest und bedankte sich bei Karl-Heinz Recklebe nicht nur für dessen spannenden und anschaulichen Bericht, sondern auch für das beispielhafte Engagement in und für South Horr, das im Seniorentreff ganz sicher neue Freunde gefunden hat.

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