1. Sinfonik über dem Orchestergraben

    2. Konzert "Akkordverdächtig" des Landestheaters

    Dieser Eintrag wird bereitgestellt durch Schaumburger Wochenblatt | Impressum

    Detmold (pgk). Ja, sie wird erfreulicherweise fortgeführt, die bereichernde Reihe "Sinfonische Meisterwerke im Dialog" des Landestheaters Detmold, initiiert durch seinen Orchesterleiter GMD Lutz Rademacher, der mit diesem Konzept die gezielte Umsetzung der musikwissenschaftlichen Erkenntnis "Man hört nur, was man weiß" umsetzen möchte, indem er mit dem Orchester des Landestheaters sinfonische Kompositionen nicht nur als Gesamtwerk aufführt, sondern auch analysiert, erklärt und kommentiert, unterstützt durch erhellende praktische Musikbeispiele mit dem Orchester. Aber welch Verwunderung gleich zu Beginn für die zahlreichen Konzertbesucher: Als erste Orchestertakte des Abends erklangen nicht, wie angekündigt, Passagen der 2. Sinfonie, D-Dur op. 73 von Johannes Brahms, sondern die vertrauten, eindrucksvoll pulsierenden Einleitungstakte seiner 1. Sinfonie, auch mitunter "Beethovens Zehnte" genannt, an der er mehr als 14 Jahre(!) gearbeitet hat, bis er sich schließlich mit diesem Werk aus dem sinfonischen Schatten Beethovens mit großem Erfolg herauswagte.

    Die 2. Sinfonie, der sich Rademacher dann umgehend zuwandte, floss Johannes Brahms dagegen in nur einem Sommer aus der Feder auf das Notenpapier, und ihre erfrischende Heiterkeit als auch ihre Norddeutsche Melancholie lösten bei ihrer Uraufführung überschwängliche Begeisterungsstürme im Konzertpublikum aus, ebenso bei den Musikkritikern: "Als ein unbesiegbarer Beweis steht dies Werk da, dass man (freilich nicht jedermann) nach Beethoven noch Sinfonien schreiben kann…" (Eduard Hanslick).

    Ihre besondere Nachvollziehbarkeit und Vitalität erfuhren Rademachers facettenreiche Informationen und Analysen durch geschickt ausgewählte typische Solo und Tuttipassagen des Orchesters, beispielsweise markante Bläsersequenzen aus dem 1. Satz und die zauberhaft Wienerischen Kantilenen der Bratschen und Celli, die Darstellung der Sexte als "Sehnsuchtsintervall" und Ausdruck für die schwermütige Melancholie des 2. Satzes, das große Holzbläsermotiv zu Beginn des überwiegend tänzerischen 3. Satzes und schließlich das energiegeladene Finale (4. Satz), wie der 1. Satz in klassischer Sonatensatzform strukturiert, mit seinem volksliedhaften Streicher-Seitenthema und dem an Beethoven erinnernden (nur hier!) effektbetonten Abschluss. Interessant, dass auch der Komponist und Zwölfton-Wegbereiter Arnold Schönberg gerade dieser Sinfonie seine höchste Anerkennung zollte.

    Nach einer Erinnerung Rademachers an Johannes Brahms‘ Zeit als Klavierlehrer in Detmold und Randbemerkungen zu seiner engen Verbindung mit Clara Schumann – ihr 7. Kind sei vermutlich nicht von ihrem Ehemann Robert Schumann – dann als 2. Teil des Konzertes der volle, nicht mehr unterbrochene Durchlauf der gesamten 2. Sinfonie, der insgesamt vorzüglich gelang. Auch oberhalb des bei Oper und Musical häufig frequentierten Orchestergrabens verstanden Rademacher und das Orchester des Landestheaters Detmold sinfonisch zu faszinieren: Mit großen dynamischen Spannungsbögen im 1. Satz, effektvollen Tutti und bezaubernden Soli von Celli und Holzbläsern, romantischen Themen der Violinen, schön ausgespieltem Thema der Cellisten im 2. Satz mit anschließendem makellosen Hornsolo, wirkungsvollem Tutti und qualifiziertem Ausklang im Pianissimo.

    Im Anschluss an das hervorragend gemeisterte große Solo aller Holzbläser zu Beginn des 3. Satzes und locker musizierten gegenseitigen Ablösungen von Streichern und Bläsern ließen die Musiker des Landestheaters, inspiriert durch das vitale, präzise Dirigat Rademachers, das Finale der Sinfonie in faszinierendem Feuer erglühen, energiegeladen, aber dennoch filigran und professionell in den anspruchsvollen Einzelsequenzen. Der begeisterte Applaus, währenddessen Rademacher sich viel Zeit für die Belobigung sämtlicher Instrumentengruppen nahm, verdeutlichte eindrucksvoll, dass diese "Dialogkonzerte" – vielleicht in Zukunft mit etwas reduzierter Analysephase – vom Konzertpublikum angenommen werden, auch (oder gerade!) unter den "raumreduzierten" akustischen Verhältnissen des Detmolder Landestheaters, mit dem erfreulichen Nebeneffekt einer hervorragenden musikalischen Transparenz, die für ein solches Konzertformat geradezu verpflichtend ist.

  2. Kommentare

    Bitte melden Sie sich an