"Es hat meiner Mutter so viel bedeutet, die Hand ihrer Mutter wieder halten zu können. Zuletzt hat sie das vor 75 Jahren getan", sagt Kurt Calder-Freundlich. Die Hand, die seine Mutter – Paula Calder, geborene Freundlich – gehalten hat, ist die der Figur, die in der Ausstellung zu Verfolgten des Nationalsozialismus. in der ‚Romantik Bad Rehburg’ steht – eine Silhouette von Else Freundlich mit dem Judenstern auf der Brust, die eine Episode aus dem Leben dieser Bad Rehburger Jüdin erzählt. Im Park der ‚Romantik’ steht eine weitere Silhouette – dieses Mal von Paula Freundlich selbst, als 13-Jährige. Mit dem Koffer in einer Hand winkt sie ihrer Familie noch einmal zu, bevor sie mit einem Kindertransport nach England fährt. Ihre Familie sah sie nie wieder. Ihre Eltern und die fünf Geschwister fielen dem Holocaust zum Opfer.
Nun ist sie zurückgekommen für einen Besuch, gemeinsam mit drei ihrer Kinder und drei Enkeln, um bei der Ausstellungseröffnung dabei zu sein, dabei zu sein, wenn für sie und ihre Familie Stolpersteine im Pflaster vor dem Haus verlegt werden, in dem sie ihre Kindheit verbrachte, und um die Menschen kennen zu lernen, die sich in Rehburg-Loccum dafür einsetzten, dass bleibende Erinnerungen an ihre Familie und andere jüdische Mitbürger in die Stadt kommen.
13 Stolpersteine hat der Künstler Gunter Demnig in Rehburg und Bad Rehburg verlegt, vor vier Häusern, in denen Juden lebten, die Opfer der Nazis wurden. Ein kleiner Baustein innerhalb des Kunstprojekts von Demnig sind diese Steine nur: Mittlerweile, so erzählt er beim Abendessen in kleiner Runde, habe er 48.000 solcher Steine in 18 Ländern gesetzt. In dieser Vielzahl an Leid, an das er erinnern machen wolle, seien die acht Steine für die Familie Freundlich etwas Besonderes für ihn gewesen. Besonders auch, weil Paula Freundlich bei der Verlegung des Steins für sich selbst dabei gewesen sei und besonders, wegen der großen Anteilnahme der Bevölkerung und des stimmigen, würdigen Rahmens, in den der Arbeitskreis die Verlegung gebettet habe.
Zwei Elemente sind in den zahlreichen Reden und Ansprachen immer wieder zum Ausdruck gebracht worden. Das eine bezieht sich auf den Titel der Ausstellung ‚Sie waren Nachbarn’. Menschen, die heute noch Nachbarn sein könnten, wenn sie nicht verfolgt worden wären, geflüchtet, deportiert oder ermordet. Das andere, was betont wurde, fasste Kurt Calder-Freundlich in einer kurzen Ansprache treffend zusammen: die Bedeutung solcher Initiativen für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. "Menschen, die sich kümmern, helfen uns, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen, helfen uns, das Beste aus unserer Gegenwart zu machen und helfen uns, eine bessere Zukunft für unsere Kinder zu gestalten."
Stolpersteine liegen nun in Rehburg in der Heidtorstraße 28 für Frieda Schmidt, in der Mühlentorstraße 14 für die Geschwister Max und Emmy Goldschmidt und in der Mühlentorstraße 26 für das Ehepaar Jeanette und Jakob Löwenstein. In Bad Rehburg liegen die Steine für Else und Siegmund Freundlich sowie ihre Kinder Werner, Paula, Kurt, Heinz Wolfgang, Gerda Irmgard und Ruth Ilse vor der Alten Poststraße 13.
Die Ausstellung ‚Sie waren Nachbarn’ ist bis zum 9. November in der ‚Romantik Bad Rehburg’ zu sehen. Geöffnet ist bis Ende Oktober dienstags bis sonntags, 11 bis 18 Uhr, und ab November mittwochs bis sonntags, 13 bis 17 Uhr. Führungen durch die Ausstellung können Schulklassen und andere Gruppen unter der Telefonnummer (0 50 37) 13 89 vereinbaren. Weitere Informationen sind auf der Website www.stolpersteine-rehburg-loccum.de zu finden.
Zusätzlich ist eine Bildergalerie auf www.rehburg-loccum.de frei geschaltet.Foto: jan