Schötmar (pgk). An einem solchen Tage, geflutet von goldener Herbstsonne, möchte man Friedrich Hebbel zitieren: "Dies ist ein Herbsttag, wie ich keinen sah! Die Luft ist still, als atmete man kaum, und dennoch fallen raschelnd, fern und nah, die schönsten Früchte ab von jedem Baum". Eine dieser "schönsten Früchte" des Tages verkörperte hier sicherlich die trotz des brillanten Wetters gut besuchte Abendmusik in der Kilianskirche! Fünf Werke aus Klassik und Romantik umfasste das Programm, wobei die Kantorei unter der Leitung von Kirchenmusikdirektor Ralf Bölting bei den Vokalwerken von einem Streichensemble (Konzertmeisterin: Christiane Muntschick) begleitet wurde, die Kompositionen für Orgel spielte Bölting an der großen Eule-Orgel der Kilianskirche.
Nach einem Offertorium für Chor, Streicher und Generalbass "Jubilate Deo" des vorrangig durch zahlreiche Klavierwerke bekannten Wiener Klassikers Anton Diabelli als leuchtendes Entree und einführenden Worten von Pfarrer i. R. Dr. Dieter Wiele, in denen er die überwiegend lateinischen Texte als "Sprache Gottes" würdigte, erweiternd aber anmerkte "Gott spricht viele Sprachen", kam Carl Philip Emanuel Bach im Jahr seines 300. Geburtstages zu Ehren mit seiner Orgelsonate Nr. 4 a-Moll. Erfrischend gleich das einfallsreiche "Allegro assai", lebendig und quirlig von Bölting vorgetragen, Frühklassik vom Brillantesten, das immer neue Impulse durch seine zahlreichen kurzen Generalpausen erhielt. Einem gesanglich interpretierten "Adagio" folgte ein in den Hauptpassagen vital registriertes und gespieltes "Allegro", das vor allem durch professionelle Virtuosität des Organisten und seine effektvollen Kontraste zwischen Ober- und Hauptwerk überzeugte.
Als romantisches Orgeljuwel entfaltete Bölting die "Suite gothique" c-Moll op. 25 von Leon Boellmann, der dieses prachtvolle Werk für die Einweihung der neuen Orgel in Notre-Dame komponierte und auch zu diesem Anlass im Mai 1895 erstmalig aufführte. Höchst beeindruckend die vehementen Registerwechsel zu Beginn – fast wie Frage und Antwort – gefolgt von einem bewegten Dreier-Rhythmus, äußerst beschwingt vom Organisten musiziert und immer wieder geprägt von pikanten Umregistrierungen – eine façettenreiche Registriertechnik ist eine von Böltings besonderen Begabungen. Nach einem zart intonierten, fast "gespenstisch" registrierten langsamen Satz mit wunderschönen romantischen Linien, begeisterte dann die bekannte "Toccata" (letzter Satz) den Zuhörer vollends, die der Kantor professionell und energiegeladen in effektvollem Metrum zu ihrem fulminanten Abschluss führte.
Die Kantorei glänzte mit erfreulich homogenem Chorklang bei der Motette "Jauchzet dem Herrn alle Welt" op. 69 von Felix Mendelssohn Bartholdy, vom überzeugenden "O geht zu seinen Toren ein" der Männerstimmen über ein strahlendes Chortutti "Denn der Herr ist freundlich", das dann in kultiviertem Piano verklang und schließlich beim "Gloria patri" in einem von den Männerstimmen bis zu den Sopranen gestuften "Amen" wirkungsvoll mündete. Das Te Deum C-Dur für Chor, Streicher und Generalbass KV 141 von Wolfgang Amadeus Mozart beschloss in ausgewogenen Tempi, gekonnten dynamischen Abstufungen und mit einer abschließend erfolgreich gemeisterten, höchst komplexen Fuge dieses Konzert der "leuchtenden Herbstfarben".