1. 3 Konflikte führen zum großen Krieg

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    Laut Münkler, der an der Humboldt-Universität in Berlin Politikwissenschaften lehrt, basiere der Erste Weltkrieg auf drei Konflikten, die damals in Europa herrschten, die für sich genommen nicht für den Ausbruch gereicht hätten. Heute sei die Achse Berlin-Paris die Grundlage für ein friedliches Europa, vor dem ersten Weltkrieg stritten beide um die Vormachtstellung im Westen Europas. Außerdem ging es zwischen Großbritannien und dem Deutschen Reich um die Seeherrschaft: Deutschland rüstete seine Flotte auf, da es keinen ausreichenden Zugang zum Meer hatte. Ein ähnlicher Konflikt bestehe heute zwischen den USA und China, sagt Münkler, der mehrfach an dem Abend Bezüge zu aktuellen Krisen- und Konfliktlagen herstellte. Entscheidend war die dritte Dimension: Auf dem Balkan tobten seit 1912 und 1913 zwei Kriege, wo multinationale, multireligiöse Reiche ums Überleben kämpften – die Donaumonarchie, das russische Zarenreich und das Osmanische Reich. "Dieser Konflikt ist politisch scharf", das Attentat in Sarajevo war der berüchtigte Funke im Pulverfass, erklärt Münkler. Während Deutschland in den Balkankriegen noch vermittelnd agiert hatte, gab es diese Rolle nun auf. Hinzu kam das Wettrüsten zwischen Deutschland und Frankreich und Russland. Im Deutschen Reich herrschte die Meinung, einen Zweifrontenkrieg lieber früher als später zu beginnen, solange man noch eine Chance habe, mithalten zu können, erklärte Münkler. So sei es nicht mehr möglich gewesen, den dritten Balkankrieg lokal zu begrenzen.

    Sämtliche Kriegsparteien hatten für einen schnellen Krieg mit nur kurzen Kämpfen geplant; das sei schnell Makulatur gewesen, so dass der Weltkrieg nicht schon 1914 wieder beendet werden konnte. Es gab zudem schlicht keinen Vermittler in dem Konflikt: Man stand entweder auf Seiten des Deutschen Reichs oder gehörte zur Entente.

    Und auch die Soldaten hörten nicht auf. Zwar habe es Kampfstreiks bei fast allen gegeben – berühmt wurde der Weihnachtsfrieden zwischen Deutschen und Franzosen 1914 – nur bei den Briten und den Deutschen nicht. Während die Briten ihre Soldaten aufgrund der eigenen Ressourcenüberlegenheit bei Laune halten konnten, war es auf seiten der Deutschen militärische Erfolgserlebnisse. "Die Deutschen lernten militärisch sehr schnell und waren dem Feind taktisch immer einen Schritt voraus", referiert Münkler. So glaubten auch die deutschen Soldaten bis zum Frühjahr 1918, sie könnten den Krieg noch gewinnen. Diese Vorstellung hielt sich hartnäckig: Nicht nur die Nationalsozialisten und andere Rechte, auch die Sozialdemokratie und Kommunisten waren der Meinung: "Eigentlich hätten wir gewinnen müssen." Die Frontkämpfer von einst waren später Hitlers Generäle. "Wir haben einges aus dem Krieg gelernt – nur eben das Falsche", fasst Münkler zusammen.

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