Lemgo (pgk). Einen "konzertanten Gottesdienst" nannte Volker Jänig, Kantor an St. Marien und Mitinitiator des diesjährigen Musikfestivals "mixTour", in seinen einleitenden Worten das Abschlusskonzert mit der "Missa in Festo Sanctissimae Trinitatis" von Hieronymus Praetorius, berühmtester Komponist und Organist der Hamburger Praetorius-Familie, da sie alle wesentlichen Elemente des kirchlichen Gottesdienstablaufes enthält, jedoch in vokal und instrumental kunstvoll auskomponierter Form und überwiegend in lateinischer Sprache.
Für die musikalische Umsetzung konnte das "Ensemble Weserrenaissance Bremen", bestehend aus sechs Gesangssolisten und sieben Instrumentalisten mit historischen Instrumenten, wie zum Beispiel Zink und Dulzian, gewonnen werden unter der Leitung von Manfred Cordes, Professor für Musiktheorie an der Hochschule für Künste in Bremen, sowie Kantor Volker Jänig an der restaurierten historischen Schwalbennestorgel der Marienkirche. Die zahlreichen professionelen Mikrofoninstallationen im Kirchenraum ließen bereits erahnen, dass auch der WDR zur Aufzeichnung dieses Abschlusskonzertes geladen war, um sie zu einem späteren Termin in seiner Reihe "WDR3 Alte Musik NRW" einzusetzen.
Eine fünfstimmige Motette als Introitus eröffnete die Missa mit weichen, von Sopran und Tenor fein ausgesungenen Kantilenen, wobei bei der Angabe der Stimmen eigenständige Stimmführungen der Instrumente – hier Zink, Posaune und Dulzian – mitgezählt werden. Beeindruckend, wie die gotischen Gewölbe der Marienkirche diese frühbarocken Kompositionen zum Klingen und Erblühen brachten. Überzeugend die Schwalbennestorgel mit dem nachfolgenden Kyrie "Magne Deus" für Orgel solo und ihrer voluminösen Pedalregistrierung und das von Jänig beim "O lux beata Trinitas" gewählte wirkungsvolle Soloregister in seinen virtuos gespielten Auszierungen, die vollkommen gestaltete psalmodierende Stimmführung beim "Christe eleison" durch die vier Männerstimmen, um schließlich bei der achtstimmigen Motette "Domine, Dominus noster" Komposition, Musiker und Kirchenraum zu einer Einheit zu verschmelzen, unterstützt durch den zusätzlichen räumlichen Effekt, dass hier Sopran und Zink, beim "Offertorium" sogar sämtliche Sänger und Instrumentalisten, von der Orgelempore aus musizierten. Ja, an diesen Aufführungsort gehören solche Werke!
Trotz der Faszination solcher Klangerlebnisse, beispielsweise auch bei dem rein vokalen vierstimmigen Satz "Wir glauben all an einen Gott", dessen berührende Ausstrahlung vor allem in seiner ausgewogen gestalteten Reinheit und Schlichtheit lag, bedarf es trotz Unterstützung durch den Übersetzungstext des Programms, für den effektgewöhnten Konzertbesucher des Jahres 2014 sicherlich einer gewissen musikhistorischen Schulung, wie die nahezu ein halbes Jahrtausend entfernte Musik der Renaissance vielleicht generell. In diesem Sinne ist sicherlich auch Volker Jänigs Einleitungskommentar zu dem für ein Abschlusskonzert durchaus steigerbaren Publikumsbesuch als "einen notwendigen Erziehungsprozess" zu interpretieren.
Das nachfolgende, sechsstimmige "Sanctus, Benedictus" für die sechs Gesangssolisten, alle Streich- und Blasinstrumente, zusammen mit der pikant registrierten Schwalbennestorgel verwöhnte den Zuhörer dann mit effektvollen Wechseln von sensiblen Vokalsequenzen und beeindruckenden Klangflächen großer Tuttiphasen, in besonders faszinierender Weise bei der achtstimmigen Schlussmotette "Te Deum Patrem", dessen "Amen" schließlich als Aus-druck einer großen historischen Musikepoche in dem prächtigen gotischen Gewölbe der Lemgoer Marienkirche würdevoll verklang.