Oerlinghausen (kd). Das Volk der Wikinger war weitaus friedlicher als es das gängige Vorurteile unterstellt. Dementsprechend verzichtete das Archäologische Freilichtmuseum Oerlinghausen bei den Wikingertagen in diesem Jahr auf Kampfshows. "Bei mir hat sich deswegen niemand beschwert", meinte der stellvertretende Museumsleiter Dr. Roeland Paardekooper. Das alltägliche Leben der Bauern, Handwerker und Händler gestaltete sich auch so sehr interessant, wie die 70 Akteure aus dem In- und Ausland zeigten.
Als "eine spannende Zeit" bezeichnete Sascha Salzwedel das Frühmittelalter. Durch zahlreiche Funde lasse sich die Zeit zwischen 800 und 1050 n. Chr. recht gut rekonstruieren. Der Gütersloher beschäftigt sich viel mit dieser Phase und den Wikingern, er hat sogar sein Äußeres darauf abgestimmt. Mit seinen langen roten Haaren und dem kräftigen Vollbart kommt er der landläufigen Vorstellung von einem Nordmann recht nahe. Ehrensache, dass Sascha Salzwedel bei den Aktionstagen im Freilichtmuseum in seinem Zelt übernachtete. Als jüngster Wikinger auf Zeit war Söhnchen Tore, fast ein Jahr alt, stets dabei. Gelassen nahm er hin, dass die zahlreichen Besucher sich häufig mit Fragen an seinen Vater wandten.
"Wir orientieren uns möglichst eng am historischen Vorbild und wollen möglichst wenig interpretieren", sagte Salzwedel. Als Gebrauchsgegenstände wie die Gewänder, die Keramikkanne und das Brettspiel auf dem Tisch seien exakte Repliken, versicherte der Experte, der im bürgerlichen Leben als Informatiker tätig ist. "An diesem Wochenende verzichten wir auf alle neuzeitlichen Dinge", sagte er. Nur wer genau hinsah, konnte entdecken, dass Tore mit einem Glasfläschchen gefüttert wurde. Es war gut in einer gestrickten Hülle verborgen.
Die Wikingertage finden seit 1995 in Oerlinghausen statt. Dass die Darsteller ansprechbar sind und ihr Wissen und ihre Vorstellungen weitergeben, gehört zum Konzept der Großveranstaltung. Als "Jorgen der Knochenschnitzer" ging Hans-Jürgen Bülles aus Duisburg sogar noch einen Schritt weiter. "Hier darf alles angefast werden", betonte er. "Kinder gehen ja ganz unvoreingenommen mit Geweihen und Knochen um." An seinem Stand bot er zierliche Vogelschädel, die Messer mit Horngriff, Seehund- und Otternfelle feil. In seinem Hobbykeller fertigt der Duisburger Gerätschaften wie Amulette, Holzdosen und Gewandfibeln an – alles nach historischen Vorlagen. Nebenan hatte Bülles eine kleine Werkstatt für Kinder eingerichtet. Mit dem Spindelbohrer durften die jüngsten Besucher auch selbst mal einen Hornknopf bearbeiten oder einen Anhänger aus Knochen herstellen. "Ich bin zum ersten Mal hier, ich finde es einfach klasse", meinte Bülles.
Norbert Rosin aus Leopoldshöhe war von den Wikingertagen sehr angetan. "Man muss schon zwei Mal durchgehen, um das ganze Drumherum zu verarbeiten", meinte er. Er begrüßte nachdrücklich, dass die Besucher aktiv einbezogen und zum Anfassen, Probieren und Selbermachen eingeladen werden.
Nach 16 Jahren baute auch Reinhard Rubenkamp aus dem niederländischen Eindhoven erstmals wieder seine Feldschmiede im Freilichtmuseum auf. Finnja und Emily aus Leopoldshöhe führte der Hobbyschmied vor, wie ein kleines Schmuckstück entsteht. Das Motiv ist überliefert, es zeigt einen Raben. In der Wikinger-Mythologie sitzt er auf den Schultern Odins. Für Rubenkamp ist es "immer schön, wenn Kinder mitmachen, sonst wäre ich nicht hier." Nach dem Abkühlen, durften die beiden Mädchen den Raben in die Hand nehmen. "Fühlen ist auch eine Form von Sehen", meinte Rubenkamp. "Bei mir darf man es."