1. Aufstehen, aufeinander zugehen

    Tanzfest für Menschen mit und ohne Behinderungen / Lernen von Aufmerksamkeit und Rücksichtnahme

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    LOCCUM (jan). Lernen mit Wohlfühlcharakter – das ist das Konzept, das Christoph Hallmann-Böhm bei den Seminaren verfolgt, die er als pädagogischer Mitarbeiter der Evangelischen Heimvolkshochschule Loccum für Behinderte ausrichtet. Eines dieser Seminare endet in jedem Jahr mit einem großen Tanzfest.

    "Und jetzt alle zusammen!" Aus dem großen Stuhlkreis entlang der Wände des Saals in der Heimvolkshochschule springen sofort viele Menschen nach dieser Ansage von Christiane Timm auf und stellen sich in Position. Kurz erklärt Timm die Schrittfolge des nächsten Tanzes, stellt sich gut sichtbar vorne auf und lässt die Musik dann starten. In Reihe wird zunächst getanzt, dann folgt ein Ringelreihen mit wechselnden Partnern. Fröhlich und entspannt sind die meisten Gesichter dabei und auch höchst konzentriert.

    Wer dort tanzt, das sind zum einen 23 Teilnehmer eines Seminars, das Hallmann-Böhm angeboten hat und das sowohl von Timm als auch von ihrer Kollegin Christa Kolditz geleitet wird. Die Teilnehmer haben allesamt unterschiedliche Handicaps, körperliche und geistige. Zum anderen tanzen aber auch allerhand Gruppen, die die Einladung zum Tanzfest angenommen haben. Eine Tanzgruppe aus Uelzen, eine weitere aus Seelze und auch aus einer Lebenshilfe-Werkstatt ist eine tanzende Gruppe gekommen. Bunt gemischt ist bald der Kreis aus Menschen mit und ohne Behinderungen.

    Die Teilnehmer des Seminars haben das Tanzen ganz konkret an den fünf Tagen zuvor schon geübt, das ist ein zentraler Punkt ihres Bildungsurlaubs gewesen. Im Hintergrund und als große Herausforderung, sagt Hallmann-Böhm, schwinge bei solchen Urlauben immer das Lernen mit – Lernen von Aufmerksamkeit, Rücksichtnahme und Konfliktfähigkeit in erster Linie. Das stehe in der ungewohnten Umgebung der Heimvolkshochschule und in der großen Gruppe während des Seminars im Vordergrund und komme noch einmal besonders zum Tragen, wenn das Tanzfest gefeiert werde - zu dem schließlich noch viel mehr größtenteils unbekannte Menschen anreisten.

    Katharina Thiel-Engler ist zum ersten Mal bei diesem Seminar dabei. Aus Uelzen kommt sie, hat – in sehr geringer Ausprägung – das Down Syndrom und erzählt, wie sie die Woche empfunden hat: "Heute morgen beim Frühstück habe ich gesagt, dass ich gar nicht weiß, ob ich lachen oder weinen soll", sagt sie, "die Woche war so schön, dass es schade ist, wieder wegzufahren." Um teilnehmen zu können, ist sie in Uelzen in die Tanzgruppe von Christiane Timm eingetreten. Kollegen aus der Lebenshilfe-Werkstatt, in der sie arbeitet, hatten ihr von den Tanzabenden vorgeschwärmt und erst recht von der Urlaubswoche in der Heimvolkshochschule.

    Eine leichte Lernbehinderung, sagt sie, sei ihr Handicap. In der Lebenshilfe arbeite sie, weil sie Angst davor habe, an anderen Arbeitsplätzen zu großem Druck ausgesetzt zu werden. Das könne sie nicht aushalten. Die Woche in Loccum hat ihr aber rundum gut gefallen und sie hofft sehr darauf, dass sie auch im kommenden Jahr wieder einen Platz bekommt.

    Tanzen und trommeln und basteln hebt sie als Highlights hervor und schwärmt außerdem von den Abenden in der kleinen Kneipe auf dem Gelände der Heimvolkshochschule, die so gemütlich gewesen seien. Dann stimmt sie noch das Lied an, das sie und die übrigen Teilnehmer die Woche über begleitet hat. "Wir wollen aufstehen, aufeinander zugehen, voneinander lernen miteinander umzugehen…" Foto: jan

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