1. Sowas kommt von sowas her

    Erstaufführung von "Bonnie und Clyde" in Bielefeld

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    Bielefeld (ame). Bonnie Parker und Clyde Barrows überfielen zur Zeit der Weltwirtschaftskrise Tankstellen, Banken und kleine Geschäfte, sie brachten auf ihrer Flucht durch den Mittleren Westen der USA 14 Menschen um und starben am 23. Mai 1934 im Kugelhagel der Polizei. Die beiden Liebenden wurden zu einer Legende. Am Sonntag zeigte das Stadttheater Bielefeld die deutsche Erstaufführung eines Broadwaymusicals, das erst vor fünf Jahren in den USA Premiere feierte. Dort wurde es nach nur vier Wochen abgesetzt. Warum es anschließend dennoch weltweit Erfolg hatte, bleibt offen gesagt ein wenig rätselhaft.

    Musikalisch enthält das Stück mit der Musik von Frank Wildhorn, Buch Ivan Menchell, Songtexte Don Black (Deutsch von Holger Hauer), Swing, Jazz, Gospel, etwas Rockabilly und Balladen sowie hin und wieder schrill Rockiges, wobei die einzelnen Songs leider wenig eingängig sind. "I feel pretty" aus Westside-Story ist zum Beispiel solch ein Musical-Song, den man noch anschließend auf dem Nachhauseweg mitsummt, ob man will oder nicht. Vergleichbares findet sich hier leider nicht. Allerdings sorgte der Unisonogesang von Philipp Büttner und Thomas Klotz für Gänsehaut, was allerdings nicht allein dem Arrangement, sondern im Wesentlichen den Stimmen der Sänger zu verdanken war. Wenn Abla Alaoui ihre Balladen sang, dann musste man schon manchmal sehr breit und wohlwollend lächeln. Sah und hörte man doch eine Mischung aus Mädchen und Frau, die die Rolle der Bonnie vortrefflich unterstrich. Obwohl die echte Bonnie 24 Jahre alt wurde – der Jungmädchentraum, berühmt zu werden, wurde neben der Liebe zu Clyde jedoch im Musical als Hauptantrieb vermutet, den Weg der Rechtschaffenheit zu verlassen. Das Problem dieses Musicals ist, dass es viele Fragen aufwirft, auf die es keine Antworten geben kann. Alles hat Gründe. Dass Clyde im Gefängnis vergewaltigt wurde, wird sicherlich ein Grund gewesen sein, weshalb er das Gesetz und seine Vertreter so hasste, dass er neun Polizisten erschoss. Aber dass der Täter in den meisten Fällen selbst irgendwann ein Opfer war, ist nichts Neues. Was also soll man aus einem Lehrstück, dass nach dem Motto "sowas kommt von sowas her" aufgebaut ist, eigentlich mit nach Hause nehmen? Jedenfalls nichts Erbauliches. Daran trägt Bielefeld jedoch keine Schuld. Es liegt am Thema. Im Original findet man dennoch einen gewissen Charme, der in der deutschen Sprache leider komplett versinkt. Die Balladen klingen dort einschmeichelnder und gefälliger. Der Klang hat einfach keinen Schwung und auch William Ward Murtas Live-Band wirkte an diesem Abend ausnahmsweise nicht energiegeladen, sondern eher wie Eiskunstläufer auf sandverklebten Kufen. Es fehlte die Leichtigkeit und die Spannung. Der Zuhörer wurde eher geschoben, als mitgerissen. Man hätte sich trotzdem mehr Tanzeinlagen, beziehungweise bessere gewünscht. Adonai Lunas Choreographie war zwar in Anbetracht dessen, dass eben der Theaterchor tanzte und kein Ballett, geradezu genial gemacht, aber natürlich wird deshalb aus einem Chor noch lange kein Tanzensemble. Die Kostüme (Julia Hattstein) waren zeitgemäß, luden aber nicht zum Träumen ein. Konnten sie auch nicht. Der Wirtschaftskrisenlook war noch nie sexy. Julia Hattstein hat als Bühnenbild eine Brückenbaustelle gewählt, die in ihrer Dimension auch als Leinwand für Bildprojektionen diente. Geschickt gemacht! Vor allem die "V8-Filme" von Bonnie und Clyde mit Bonnies Mutter, hatten etwas Beklemmendes. Bonnies strahlendes Lächeln griff einem als Zuschauer wirklich ans Herz. Jens Göbel, der das Musical für Bielefeld inszenierte, hatte die Rückblende des Originals beibehalten sowie manches andere, was dann auch immer sinnvoll war. Was blieb als bester Eindruck bestehen? Philipp Büttner als Clyde. Er war 2013 erster Preisträger im Juniorenwettbewerb des Bundeswettbewerbs Gesang. Seine Stimme klingt einfach schön. Auch dann, wenn er nur leise singt. Dann sogar ganz besonders.

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