Detmold (sh). Der erste "Freilichtgenuss" war ein voller Erfolg: 6.000 Genießer erkundeten an zwei Tagen kürzlich die neue jährliche Flaniermeile im Freilichtmuseum. Dabei drohte die Premiere zu platzen.
Mit weithin hörbarem, gewaltigem Krachen schlug morgens gegen halb sieben ein Blitz auf dem Gelände des Freilichtmuseums ein und setze das gesamte interne Stromnetz außer Kraft, bevor lauter Donner und der heftige Gewitterregen folgten. Die Kassen, die Tore, die Gegensprechanlage, das Licht – nichts funktionierte mehr und das stellte kurzfristig die gesamte Wochenend-Veranstaltung in Frage. Doch mit gewohnter Souveränität und Professionalität wurde das Problem so zügig behoben, dass die ersten, gegen neun Uhr eintreffenden Gäste bereits nichts mehr von dem Malheur merkten.
Schon im Eingangsbereich erwartete die Besucher eine reichhaltige Pflanzentauschbörse, bei der sie mitgebrachte Schätze aus dem eigenen Garten gegen andere Raritäten eintauschen oder gegen eine kleine Spende mitnehmen konnten. Der Museumsgärtner Elmar Zeileis koordinierte dies, stand Rede und Antwort, auch zu alten Obstsorten, und bot Pflanzen aus den Museumsgärten an.
Die passenden Pflanzentöpfe und Kräuterschilder für die erstandene Beute konnten frisch gebrannt in der Töpferei Heilemann erstanden werden und wer noch gärtnerische Fragen hatte, konnte sich in den Gärten des Gräftenhofes des Münsterländer Dorfes, des Valpagenhofes, im Apothekergarten und im Küchengarten am "Weißen Ross" im Paderborner Dorf schlau machen.
Unweit hiervon säumten hochgestapelte Paletten den Bereich des "Urban Gardening", in dem Gärtnerin Katharina Ostendorf eindrucksvoll unter Beweis stellte, dass man zum Säen, Pflanzen und Ernten nicht immer ein Stück Land braucht: Ein Tetra-Pak, der sonst in den gelben Sack wandern würde, aufgeschnitten, mit Erde gefüllt und aufgehängt wo immer Platz und Licht sind, tut es auch. Ebenso wie ein Reissack aus wasserdurchlässigem Kunststoffgewebe oder sein großer Bruder, der "Big-Bag", der sich besonders für tragfähige versiegelte Flächen eignet. Fröhlich und bunt wachsen darin Gemüse, Kräuter oder Blumen durcheinander und gedeihen vorzüglich. Mit Paletten und Brotkisten lassen sich sogar flugs stabile Hochbeete anlegen und bepflanzen.
Schlenderte man ein bisschen weiter durchs Dorf, traf man Gesine Struck von der Seedballs-Manufaktur aus Dörentrup. Die von Bewohnern in Bega gerollten und von der Lebenshilfe etikettierten Tütchen mit den Kugeln aus Lehm, Erde und heimischen Blumensamen fanden reißenden Absatz. Heidi Henninger-Brinker, die selbst einen Garten in Detmold besitzt, ließ sich anleiten, wie man sie herstellt. "Die ist wie ein kleiner, verheißungsvoller Schatz," strahlt sie voller Vorfreude auf die kommende Blütenpracht, die noch feuchte Kugel stolz in der geöffneten Handfläche präsentierend, "ich werde mir sehr genau überlegen, welchen Platz sie bekommt oder an wen ich sie verschenke!"
In den Küchen des Paderborner Dorfes konnten die Besucher lernen oder konnten sich rückbesinnen, wie man schon früher und auch noch heute die Gartenernte haltbar machen konnte.
Dann lockte der Duft von frischem Brot in die Backstube, mit einem Zwischenhalt bei Auguste Kuschnerow, die mit ihrem Stand für die Notwendigkeit von Schulgärten wirbt. Mit der Brottüte unter dem Arm ging es weiter, vorbei an attraktiven und ausgefallenen Gartendekorationen hin zur Apfelwiese hinter der Bäckerei, wo in den Pferchen Ardennais Roux, Ostfriesische Milchschafe, Coburger Fuchsschafe, Bentheimer Landschafe und andere ungewöhnliche Rassen von den Erwachsenen bestaunt und von den Kindern mit Gras und Fallobst gefüttert wurden.
"Das Gelände hier ist natürlich prädestiniert für unsere Bedürfnisse, hier passt einfach alles", freute sich Hüteleiter Ulf Helmig über das neue lippische Event und rief die Hundetrainer und ihre Hütehunde zusammen, um gemeinsam mit Museumsdirektor Prof. Dr. Jan Carstensen und Preisrichter Claus Börner, selbst seit 30 Jahren Schäfer und Trainer von Border Collies, die Sieger der Ostwestfälischen Koppel- und Gebrauchshunde-Meisterschaft zu prämieren. Aufgabe war es gewesen, eine Gruppe von 25 Schafen zu hüten, je 10 davon zu separieren, ein markiertes Schaf einzufangen und fünf Tiere auf einen Anhänger zu verladen. Dies gelang Ryan Quinn mit seinem Hund "Dun" am besten, gefolgt von Anne Haag mit "Kate" und Beatrix Baumann mit "Wassilli".
Locker gruppiert standen im Dorf, auf dem Dorfanger und unter der Bockwindmühle Stände mit Handgefertigtem oder kulinarischen Genüssen, entspannt plaudernd saßen Besucher grüppchenweise zusammen oder schlenderten am mobilen Hühnerhaus vorbei zu den handgeschmiedeten Pflanzenstäben oder den duftenden, handgeschöpften Seifen zu riechen und die "Crème-to-go"- Stücke von Andrea Franke aus Lage-Heiden zu testen.
Es hätte noch so vieles mehr zu sehen, auszuprobieren und zu erleben gegeben, dass es ein Trost ist, dass der Freilichtgenuss nach diesem grandiosen Debut nun zur jährlichen Institution werden soll.