SEELZE (em/tr). Eine aufregende Nacht haben über 14.000 Seelzer hinter sich. "Die Bombe ist entschärft. Mein Dank gilt den Einsatzkräften und den Bürgern Seelzes, die diese schwierige und spontane Notfallsituation mit Bravour gemeistert haben", sagte Seelzes Bürgermeister Detlef Schallhorn bei einer Pressekonferenz am Mittag, nachdem die Evakuierten alle wieder zu Hause waren. Eine sogenannte Großladungsbombe aus dem Zweiten Weltkrieg wurde bei einer Routinesondierung südlich des Rangierbahnhofs in Seelze am vergangenen Montagnachmittag um etwa 15 Uhr gefunden. Ab 18 Uhr wurde entschieden, die Evakuierung einzuleiten. Fachleute konnten die plötzliche Zündung der Bombe nicht ausschließen, nachdem nach rund 70 Jahren im Lehmboden Luft an die Zünder gelangt war.
Polizei und Feuerwehr wurden in der Nacht unter anderem durch die Bereitschaftspolizei aus Braunschweig verstärkt. Insgesamt 619 meist ehrenamtliche Einsatzkräfte sorgten dafür, dass die umfangreiche Evakuierungsmaßnahme anlaufen konnte. Als um 5.17 Uhr am nächsten Morgen die Fachleute des Kampfmittelbeseitigungsdienstes Entwarnung geben konnten, war die Erleichterung groß.
Am Montagabend begann nach vorbereitenden Maßnahmen um 22.30 Uhr die Evakuierung. In einem Umkreis von zwei Kilometern um den Bombenfund herum waren die Stadtteile Seelze, Almhorst und Döteberg ganz betroffen, die Stadtteile Lohnde und Harenberg teilweise. Insgesamt mussten rund 14.000 Einwohner die Nacht außerhalb ihrer Wohnungen verbringen. Unter anderem wurden die Bewohner von drei Altenheimen verlegt. Sie kamen in anderen Seelzer Einrichtungen unter. Da das Schulzentrum in Seelze ebenfalls nicht zur Verfügung stand, wurden das Georg-Büchner-Gymnasium, die Brüder-Grimm-Schule und die Mehrzweckhallen in Harenberg und Lathwehren zu Notquartieren umgewandelt.
Insgesamt 3.500 Menschen nutzten die Gemeinschaftsunterkünfte. Das entspricht Erfahrungswerten aus anderen Evakuierungsfällen, denn etwa zwei Drittel der Betroffenen finden in der Regel bei Freunden und Verwandten Platz. Das DRK versorgte die Menschen mit Getränken und Essen. "Die große Hilfsbereitschaft im Stadtgebiet hat bei dieser größten Evakuierung in der Geschichte Seelzes enorme Unterstützung geleistet," so Schallhorn. Mit Lautsprecherwagen der Polizei und der Feuerwehr wurde in den betroffenen Stadtteilen über die Evakuierung informiert, per Hubschrauber auch in den Kleingärten.
Der Dank des Bürgermeisters gilt auch der Region Hannover, die spontan ein weiteres Bürgertelefon neben dem in Seelze einrichtete, wo an vier bis fünf Arbeitsplätzen bis morgens um sieben Uhr Fragen beantwortet wurden. "Großartig war auch die Organisation von Regiobus", lobte der Bürgermeister. 35 Busse waren in Spitzenzeiten im Stadtgebiet unterwegs, um die Evakuierung möglich zu machen. Etwa zweihundert Menschen mussten mit speziellen Einsatzfahrzeugen liegend- oder sitzend transportiert werden. Außerdem setzten der Rangierbahnhof und das Chemieunternehmen Honeywell ihre Sicherheitsmaßnahmen um. Die Bahnstrecke Hannover-Minden sowie der Schifffahrtverkehr auf dem Mittellandkanal und dem Zweigkanal Linden wurden für die Zeit der Entschärfung gesperrt. Ebenso war die Flugsicherheit durch die Einsatzleitung informiert worden.
Aus der Bevölkerung kam nach der Entschärfung allerdings nicht nur Lob. Einige Bürger beklagten sich gegenüber der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung über mangelnde Information seitens der Verantwortlichen, die ihrer Meinung nach zu spät reagiert haben. Auch hätte die Entschärfung schneller vonstatten gehen können, Schallhorn zufolge wollten aber zahlreiche Bewohner ihre Wohnungen zunächst nicht verlassen.
Die Sondierungsuntersuchung auf Kampfmittel wurde im Vorfeld einer geplanten Erweiterung des Neubaugebietes Seelze-Süd vorgenommen. Der auf dem Acker gefundene Verdachtsfall erwies sich erst beim Aufgraben als eine schwere Fliegerbombe. Mit einem Durchmesser von rund einem Meter, einer Länge von etwa vier Metern und einem Gewicht von knapp zwei Tonnen handelte es sich um eine besonders schwere Luftbombe. Gefüllt mit bis zu 1,8 Kilogramm Sprengstoff können diese Bomben im Umkreis von hundert Metern ganze Gebäude zerstören, bis zu tausend Meter entfernt Türen und Fensterrahmen herausdrücken und noch in bis zu zwei Kilometern Entfernung Fenster zerbersten lassen.
"Die Sicherheit der Menschen dieser Stadt hatte heute Nacht oberste Priorität", resümierte der Bürgermeister und freute sich, dass die Bombenentschärfung größtenteils ruhig und geordnet überstanden werden konnte. Foto: privat