1. Zeitreise für die Busfahrer der SVD

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    Detmold (ame). Warum brauchen ältere Menschen für viele Dinge mehr Zeit, zum Beispiel, um das Kleingeld aus dem Portemonnaie zu kramen während hinter ihnen die Fahrgäste in der Warteschlange schon mit den Füßen scharren? 90 Busfahrer der Stadtverkehr Detmold (SVD) haben auf diese und ähnliche Fragen kürzlich auf sehr ungewöhnliche Weise Antworten gefunden. In einer Schulung mit der Überschrift "Bitte einsteigen. Haltestelle Zukunft" konnten sie mit Hilfe eines Alterssimulationsanzuges selbst erleben, wie es ist, wenn man als älterer Mensch körperliche Einschränkungen hat und wie schwierig es sein kann, damit im Alltag – zum Beispiel im öffentlichen Nahverkehr – zurechtzukommen.

    Daniela Niestroy-Althaus, Prokuristin bei der SVD: "Das Thema demographischer Wandel rückt in vielen Lebensbereichen immer mehr in den Fokus. Auch wir können eine stetige Zunahme an älteren Fahrgästen beobachten. Darum haben wir beschlossen, unser Fahrpersonal in die Zukunft zu schicken. Wie wird es körperlich sein, wenn ich einmal 20 oder 30 Jahre älter bin?" Möglich wurde diese "Zeitreise" durch den Alterssimulationsanzug MAXX. Der Anzug wurde aufgrund von Erkenntnissen aus über 200 Studien der Medizin, Gerontologie, Sport- und Arbeitswissenschaft entwickelt. Wer ihn trägt, bekommt ein Gefühl dafür, wie sich Einschränkungen des Seh- und Hörvermögens und der Beweglichkeit, eine reduzierte Haptik und ein muskulärer Kräfteverlust konkret anfühlen.

    Die Wahrnehmungswelt älterer Menschen selbst zu erleben, führt zu verblüffenden Eindrücken, zu neuen Sichtweisen in Bezug auf den Umgang mit älteren Menschen und auf ihre besonderen Bedürfnisse – und zu der Frage, wie man dem als Unternehmen und als Mitarbeiter eines Dienstleistungsunternehmens gerecht werden kann. Niestroy-Althaus: "Wir möchten unseren Fahrern aufzeigen, welche Einschränkungen zum Beispiel beim Ein- und Aussteigen – auch mit schweren Einkaufstaschen– beim Bezahlen mit Kleingeld oder aber auch beim Lesen oder Hören der Haltestellenansage in den Bussen auftreten können."

    Sabine Hohenhövel, Mitarbeiterin der Wolfsburg AG, erläuterte den MAXX: "Er besteht aus zehn modularen Einzelteilen und wiegt 23 bis 25 Kilogramm." Auch Daniela Niestroy-Althaus testete den Anzug und zog ihr persönliches Resümee: "Das wird später mal sehr, sehr anstrengend werden!" Erfreulich und beruhigend sei jedoch, schränkten die Mitarbeiter der Wolfsburg AG ein, dass nicht alle Menschen zwangsläufig auch alle Alterbeschwerden erfahren. Zunächst ist es ein schleichender Prozess und man entwickelt für viele Defizite eine ausgleichende Strategie. Dennoch ermöglicht der Anzug Erfahrungen von Schwierigkeiten, die man sich als junger Mensch nicht vorstellen kann.

    Im zweiten Teil der Schulung wurde den Mitarbeitern vermittelt, wie es sich anfühlt, mit einem Rollstuhl Bus zu fahren. "Die SVD setzt sich auch für die Belange von in ihrer Mobilität eingeschränkten Menschen ein", betonte Daniela Niestroy-Althaus. "Auch hier gab es in der Vergangenheit schon Schulungsangebote. Dieses Mal arbeiten wir mit der Lebenshilfe Detmold zusammen und haben ein spezielles Weiterbildungsprogramm in Theorie und Praxis entwickelt." So erhielten die Schulungsteilnehmer unter anderem einen Überblick über die unterschiedlichen Arten von Rollstühlen, darüber wie deren Bremssysteme funktionieren und wie sich unterschiedliche Schwerpunkte auswirken. Das Praxistraining wurde von Patrick Moser – Referent beim Deutschen Rollstuhl-Sportverband und selbst Betroffener – begleitet. Er erläuterte, was passiert, wenn der Bus zu weit vom Bordstein entfernt steht, wenn der Neigungswinkel zu steil ist oder zu welchen Schwierigkeiten es beim Rangieren eines Rollstuhls in einem Bus kommen kann. Daniela Niestroy-Althaus: "Uns ist es wichtig, dass solche Weiterbildungsmaßnahmen keine Kritik am derzeitigen Verhalten unser Busfahrer darstellen soll. Vielmehr möchten wir unser Fahrpersonal für die Belange hilfsbedürftiger Menschen sensibilisieren. Wer von uns hat schon die Gelegenheit, ohne selbst ein körperliches Gebrechen zu haben, Rollstühle im alltäglichen Leben zu testen. Oft können nur betroffene Personen selbst nachvollziehen, welchen Aufwand zum Beispiel ein Rollstuhlfahrer aufbringen muss, um den öffentlichen Personennahverkehr zu nutzen."

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