Oerlinghausen (kd). Kann man ohne Strom, Heizung und modernen Komfort leben? Für sieben junge Leute ist dies kein Problem. Die Mitglieder des Vereins "Projekte zur lebendigen Geschichte" (PZLG) aus Luxemburg waren jetzt in Oerlinghausen zu Gast. Eine Woche lang wohnten sie im Archäologischen Freilichtmuseum wie Menschen des Frühmittelalters und suchten das Gespräch mit den Besuchern.
Vorsichtig setzt Misch Meurin seine große Axt an. Vor sich hat er ein rohes Stück Holz eingeklemmt und hebt mit seinem Werkzeug einen Span nach dem anderen ab. "Ich bearbeite ein Schneidbrett", erläutert der junge Luxemburger. "Vorlage ist ein Fund, auch die Maße entsprechen dem Original." Meurin legt Wert darauf, dass auch alle übrigen Gegenstände historisch verbürgt sind. Er deutet auf eine große eisenbeschlagene Holztruhe hinter sich. "Das ist eine Replik einer Truhe aus Dänemark, die in der Wikingerzeit, im zehnten Jahrhundert, verwendet wurde." Sie enthält lauter Werkzeuge für einen Holzhandwerker, ebenfalls Nachbildungen von Originalen.
Wenn Misch Meurin vor dem frühmittelalterlichen Langhaus steht und arbeitet, könnte man meinen, er sei aus der Zeit gefallen. Häufig wird er von Museumsbesuchern angesprochen. "Die Menschen hier sind sehr wissbegierig, das ist sehr angenehm", meinte Meurin. Auch Nora Bach führt häufig Gespräche mit Interessenten. Die Studentin ist wie eine Frau aus dem neunten Jahrhundert gewandet. Auffällige Schnallen und eine farbige Kette weisen sie als höhergestellte Person aus. Ihren Schemel hat sie im Eingang zum Langhaus platziert. So sitzt sie windgeschützt und hat genügend Licht für ihre Stickerei. Mit Kontur- und Plattstich verziert sie die Ärmel und den Kragen einer Tunika. Das Muster entspricht einem Textilfund, es stellt einen stilisierten Schwertknauf dar. "Wir möchten die Fragen möglichst konkret, durch Zeigen und Anfassen, beantworten", erläuterte Daniel Rosenfeld. Der 25-Jährige ist in die Rolle eines keltischen Edelmanns geschlüpft. "Wir wollen verdeutlichen, dass die Menschen des Mittelalters keineswegs primitiv waren. Sie befanden sich auf der Höhe der Zeit und hatten bestes technisches Wissen." Es gebe zahlreiche Klischees aus dem Fernsehen. "Aber die Kelten und Wikinger waren keineswegs Barbaren." Ihre Ausrüstung stellen die Vereinsmitglieder komplett selbst her. Daniel Rosenfeld verweist darauf, dass alle Gegenstände den aktuellen Forschungsstand repräsentieren. Er selbst hat sich das Schmieden angeeignet und versorgt die Gruppe mit Beschlägen, Waffen und Rüstungen. Um den Besuchern ein realistisches Bild des Frühmittelalters zu vermitteln, haben sich die sieben Luxemburger auch im Langhaus einquartiert. Gekocht wird an einem geschmiedetem Dreibein über offenem Feuer, dass keramische Essgeschirr wurde originalgetreu kopiert und auch das Bett entspricht historischen Schlafstätten. Auf einem mit Stroh gefülllten Leinensack und unter Rentierfell könne man hervorragend schlafen, versicherte der Vereinssprecher.
"Wir möchten das Gelesene auch mal selbst erleben und ausprobieren", sagte Rosenfeld, ein ausgebildeter Archäologe. Aus Interesse an Geschichte haben sich auch Handwerker, Fotografen und Webdesigner in dem Verein "Projekte zur lebendigen Geschichte" zusammengeschlossen. Wer das aufwändige Aufnahmeverfahren bestanden hat, kann auch an den Belebung eines Museums wie in Oerlinghausen teilnehmen. Dafür opfern die Luxemburger auch gern ihren Urlaub. Für Rosenfeld liegt der Gewinn darin, Zeitdruck und Lärm hinter sich zu lassen. "Das ist schon eine tolle Erfahrung: Wir werkeln hier nach eigenem Rhythmus. Und wenn wir abends am Feuer sitzen, erleben wir eine Stille ohne Nebengeräusche, die uns im Alltag belasten."